In Zukunft schlecht beraten?

Hemelingen hat, was andere Stadtteile nicht haben: eine Frühberatungsstelle für Eltern kleiner und kleinster Kinder. Ob sie im Herbst ihre Räume im neuen Familienzentrum beziehen kann, ist fraglich

Der Teufelskreis zwischen Eltern und Babys kann in zwei, drei Sitzungen aufgebrochen werden

taz ■ Alles könnte so schön sein: Im Herbst ist Hinter den Ellern in Hemelingen Baubeginn für ein neues Familienzentrum. Dafür wird kooperiert, was das Zeug hält, sogar die Finanzierung ist dank eines kreativen Zusammenschlusses verschiedenster Geldgeber gesichert. Die 1,7 Millionen Euro, die der Neubau kostet, kommen zusammen aus Mitteln der EU und des Bundes, Bremen trägt im Rahmen des „Wohnen in Nachbarschaften“-Programms sein Scherflein bei und die Stiftung Wohnliche Stadt sowie der Beirat Hemelingen tun ein Übriges. Einziehen werden dort diverse Spielkreise, ein Elterncafé, das ’Haus der Familie‘, ein Teil des Gesundheitsamtes und familienorientierte Beratungsstellen. Also alles paletti?

Leider nein. Mit von der Partie sollte eigentlich auch die Hemelinger Frühberatungsstelle sein. Sie ist ein in Bremen einzigartiges Projekt, das Müttern beziehungsweise Eltern von Säuglingen und kleinen Kindern hilft, akute Schwierigkeiten ohne großen Angang besprechen und bearbeiten zu können. Derzeit arbeiten eine Sozialpädagogin und eine Psychologin in dem Projekt – jeweils mit 10 Stunden. Die Nachfrage aber, so Psychologin Inge Beyersmann, steigt.

Wenn es nach der Vorsitzenden des Freundeskreises im Haus der Familie, Anke Leidreiter, geht, würde die Frühberatung in Zukunft täglich öffnen. Neue Räume sind im Neubau eingeplant – für die Stellen aber wird es knapp. Ob die Sozialpädagogin weiterhin aus Mitteln des Nachbarschaftsprogramms bezahlt werden kann, ist ebenso unklar wie die Frage, ob das Amt für Soziale Dienste die Stundenzahl der Psychologin in dem Projekt erhöht. Erst im Rahmen der Haushaltsberatungen der nach den Wahlen neu zusammengesetzten Bürgerschaft könne darüber entscheiden werden, so die Sprecherin des Sozialressorts. Dabei sei die Hemelinger Frühberatung, so Leidreiter, „faktisch eine Institution im Stadtteil geworden“ und über den seit mehr als vier Jahren währenden Projektstatus längst hinausgewachsen. Auch der Senat misst „diesem niedrigeschwelligen Angebot“ laut einer Vorlage vom Mai „grosse Bedeutung zu“.

Von der klassischen Erziehungsberatung trennt die Frühberatung nicht nur das Alter der Klienten: Für Säuglinge ist die Erziehungsberatung gar nicht zuständig. Auch die Methode der Frühberaterinnen ist eine andere. In Gesprächskreisen und Einzelsitzungen geht es darum, Begegnungen mit dem Kleinkind ‚vorzuführen‘ und durchzusprechen. Der Teufelskreis von schreiendem Baby und überforderten Eltern kann, so Psychologin Beyersmann „manchmal schon in zwei oder drei Sitzungen aufgebrochen werden“. Schon mehrfach habe so die

Heimunterbringung verhindert werden können.

Zur Zeit werden die Mütter und Eltern entweder von Kinderärzten geschickt, manche kommen von alleine, wieder andere werden vom ambulanten Sozialdienst zur Beratung verpflichtet. In den neuen Räumen hofft man nun, noch mehr als bisher diejenigen Eltern zu erreichen, die staatlichen Hilfsangeboten sonst mit Mißtrauen begegnen. „Schließlich“,so Leidreiter, „führt demnächst im Familienzentrum ein ganz kurzer Weg vom Café in die Beratungsstelle“.

Elke Heyduck