Die Nacht zum Tage machen

Schlafen gilt nicht. In der kürzesten Nacht des Jahres gibt die taz Tipps zu den besten Plätzen der Stadt nach dem Motto: From Dusk till Dawn in Neukölln, der Motzstraße und auf der Fête de la Musique

von MAXIMILIAN HÄGLER

Sieben Stunden und neun Minuten ist die Nacht heute kurz. Da lohnt sich der Gang ins Bett doch gar nicht mehr. Denn die Seelen der Stadt sind unruhig, wollen nichts verpassen, wollen feiern und sich freuen über den Mittsommer. Dazu gibt es reichlich Gelegenheit, feiert dieses Wochenende doch fast ganz Berlin. Schlafen gibt’s nicht, es gilt dem Sonnenaufgang entgegenzufiebern. Nachdem der Planet um halb zehn untergegangen ist, steigt er am Samstag gegen dreiviertel fünf wieder über die Stadt.

48 Stunden Neukölln

Während Wowereit Schirmherr im „Homo-Kiez“ ist (siehe Motzstraßen-Fest), betreut Kultursenator Thomas Flierl zwei bunte Kunst- und Kulturtage in Neukölln.

Dämmerungsfaktor: „Nichts“. Darüber handelt eine Theaterperformance im Comeniusgarten und knapp vor Einbruch der Nacht endet „Heiteres und Hoffnungsvolles“ im Hinterhof des Herrenhuter Wegs 16. So kreativ darf gerne auch die Nacht sein.

Knutsch- und Quatschfaktor: Falls Sie Probleme mit Partner oder Kindern haben, verhilft vielleicht die „Happy Family Show“ zu einem klärenden Gespräch. Und auch sonst kommt man bei Debatten, Spielfesten, Führungen und Fußballcollagen sicher ins Gespräch und lernt vielleicht endlich seinen Nachbarn kennen.

Wurst- und Budenfaktor: Nicht in der Bude, sondern in der Storch-Apotheke kann der Besucher eine Anatomie-Installation bewundern und bei den Pharmaziekollegen von der Bären-Apotheke ist die Künstlergruppe „Hertzberg 88“ untergekommen. Würste gibt’s allerdings weniger.

Kiez- und Kulturfaktor: Eine Ausstellung über Kiez-Familien kann besucht werden und über die Richardstraße rollt eine riesige Eichenkugel. Das macht Spaß und macht einen freien Kopf für noch viel mehr Kultur.

Sonnenaufgangsfaktor: Der Sonntagmorgen in Neukölln ist klarer Gewinner in Sachen Sonnenaufgang. Denn - klar - von Osten her geht die Sonne auf und damit können sich die Neuköllner über die ersten Sonnenstrahlen in der Stadt freuen. und zwar ziemlich genau um 4:43 Uhr.

Die ganz harten Fakten: Bei den 48 Stunden freut sich das Volk von Freitag abend bis Sonntag Nacht über Kunst und Kultur. Die meisten Veranstaltungen finden rund um den Hermannplatz und die Karl-Marx-Straße statt und kosten manchmal nichts und manchmal ein paar Euro. Für ausdauernde Festbesucher – und das sind in dieser Nacht wohl alle – gibt es einen Festivalpass für fünf Euro. www.48-stunden-neukoelln.de

Fête de la Musique

Ein „Europäischer Tag der Musik“ soll heute sein. Doch was ist das Besondere an einem Fest, dass nicht nur in Berlin gefeiert wird, sondern auch in Bremerhaven und Bruchsaal? Das unglaubliche Programm.

Dämmerungsfaktor: Bauchtanz, Streetdance, Rap, Teakwondo, Oi Punk, Chansons, permanent wave und vocal swing. Die gemeinen Stilformen Rock und Pop werden schon tagsüber erweitert um nie gekannte Spielarten. 51 Bühnen zwischen Lichtenberg und Wilmersdorf geben soviel auf die Ohren, dass einem vielleicht abends schon die Augen zufallen.

Knutsch- und Quatschfaktor: Bei 500 Gruppen und Ensembles ist der Lärmpegel für eine gepflegte Unterhaltung wahrscheinlich oft zu hoch. Also viel Gelegenheit für Umarmungen, und wenn’s richtig dunkel ist, dann wird bei der Fête de la Nuit in die Nacht getanzt.

Wurst- und Budenfaktor: Nicht viel höher als sonst in Berlin, aber das reicht auch.

Kiez- und Kulturfaktor: In Zehlendorf, Steglitz, Wedding und Spandau ziemlich mau - die Bezirke beteiligen sich nicht offiziell an dem berlinweiten Musikfest. Aber vielleicht verirren sich ja einige Musikfreunde in den verschlafenen Westen – darf an diesem Tag doch in der gesamten Stadt jedermann „akustisch musiziert“ werden. Und in allen anderen Bezirken wird diese Ausnahmegenehmigung auch bis zum Exzess und unter Einbeziehung fast sämtlicher Musikstile der Welt ausgenutzt.

Sonnenaufgangsfaktor: Wechselnd. Zwar schließen die meisten Bühnen um 23:00, aber vielerorts geht’s drinnen weiter. Und auf der Insel Treptow ist bis 5:00 Uhr morgens „Partyrocken“ angesagt. Eine Viertelstunde Sonnenaufgang direkt am Wasser. Besser geht’s doch nicht.

Die ganz harten Fakten: Die Musik spielt – bis auf Westwestwest – fast in ganz Berlin. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei, weitere Infos unter www.fetedelamusique.de

Motz-Straßen-Fest

Zum elften Mal hat der „Regenbogenfonds“ die Schwulen, Lesben und auch Heteros zum Feiern eingeladen. Dieses Mal unter dem Motto „Zeigt Euch!“

Dämmerungsfaktor: Nachdem schon am Donnerstagvormittag die Regenbogenfahnen am Schöneberger Rathaus gehisst worden sind, geht es am Samstag richtig los.

Da trifft Christian Ströbele auf dem „wilden Sofa“ mit „Pop-Diva“ Luci van Org zusammen und am Nachmittag gesellt sich auch Schirmherr Wowereit dazu. Das klingt nach großem Auftakt einer großen Nacht.

Knutsch- und Quatschfaktor: Wer „Motzfest“ hört, denkt an Darkrooms und manch ausgelassene Lustspiele. Fakt ist, letztes Jahr kamen 350.000 Besucher, manche in Leder, manche in Leinen. Manche werden knutschen, manche werden einfach nur quatschen.

Wurst- und Budenfaktor: Wenn ein breites Spektrum „lesbischer, schwuler, bisexueller und transidentischer“ Gruppen zusammen feiert, dann werden auch die Straßenbuden durchaus ungewöhnlich. Klar gibt es Biergärten, Cocktailbars und für die Wurstfreunde steht der Rave-Tower mit House- und Techno-Klängen bereit. Auch „Autofeminista“ haben sich angemeldet und der interessierte Gast ist gespannt, was sich dahinter verbirgt. Was man bei der „positiven Meile“ erwarten kann, ist klar – trotz des Freudenrummels sollen Opfer und Gefahren von Aids nicht vergessen werden.

Kiez- und Kulturfaktor: Die Veranstalter selbst sprechen vom „Homo-Kiez am Nollendorfplatz“, aber die Shows sind nicht immer so sextriefend, wie es die Bezirkstitelung vermuten lässt. Zwar tummeln sich Claudia Roth und Ströbele auf dem „wilden Sofa“, aber hierbei soll es sich nur um eine Promi-Talkshow handeln. Ganz unverdächtig kommt die Jazz-Bühne daher, und auch sonst ist die Rede von „Rock, Pop und Kabarett“.

Sonnenaufgangsfaktor: Mit „till Dawn“ wird das nix beim „Motzfest“, jedenfalls nicht offiziell, denn um 22:00 werden die Bürgersteige hochgeklappt. Da bleibt also nur das heimische Bett oder die Party im „Connection“ mit „mixed boys and girls“.

Die ganz harten Fakten: Das Motzstraßen-Fest beginnt am Samstag um 15:00 Uhr und läuft bis Sonntagnacht. Ort der Umtriebe ist das Karree zwischen Motzstraße, Nollendorfplatz und Martin-Luther-Straße.

Alle Infos unter

www.gay-stadtfest.de