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Der Traum aller Schwiegermütter

Witali Klitschko, der ältere der beiden ukrainischen Box-Brüder, steht vor dem wichtigsten Kampf seiner Karriere

Ein Weichei, Pin-up-Boy und Liebling aller Schwiegermütter – oder „Dr. Eisenfaust“, der zu Boden schlägt, wer ihm vor die Fäuste läuft, und schon am morgigen Sonntag als neuer Weltmeister im Schwergewicht den Tag beginnen könnte: An Witali Klitschko scheiden sich die Geister. In der Nacht von heute auf morgen schlägt für den 31-jährigen aus der Ukraine stammenden Star des Hamburger Universum-Boxstalles die Stunde der Wahrheit, wenn er gegen den amtierenden Champion, den 37-jährigen Briten Lennox Lewis, im Staples-Center in Los Angeles um die Weltmeisterschaft nach Version des World Boxing Council boxen wird (ZDF, ca. 4.30 Uhr).

Drei Jahre hat der ältere der beiden Klitschko-Brüder auf diesen Kampf warten müssen. Es war im Jahr 2000, als alle Hoffnungen auf den großen Fight in den USA zunächst vorbei waren: Unvergesslich das Bild, wie Trainer Fritz Sdunek dem 2,02-Meter-Mann plötzlich in der Pause vor der zehnten Runde die Handschuhe von den Fäusten zog und den Kampf gegen den klar unterlegenen Chris Byrd verloren gab – Klitschko hatte sich eine Schulterverletzung zugezogen und konnte nicht mehr. Seither gilt er in den USA als Loser: Niemals hätte er aufgeben dürfen, ein Boxer muss so etwas aushalten, so die einhellige Meinung.

Was ihn damals Titel und Zukunft kostete, könnte ihm, so die Hoffnung vieler Klitschko-Fans, heute Nacht helfen: Kaum jemand gibt ihm eine Chance gegen Lewis – und der selbst erst recht nicht. „Bis zur fünften Runde wird Klitschko ausgeknockt“, prophezeit Lewis’ Trainer Emanuel Steward. Lewis, auf die Größenvorteile Klitschkos angesprochen, höhnt: „Längere Kerls liegen mir besonders, ich liebe es, gegen sie anzutreten, denn sie fallen härter.“ Auch in Deutschland, wo die Klitschko-Brüder ihre größte Fan-Gemeinde haben, gibt kaum jemand dem Doktor der Sportwissenschaft mehr als eine Außenseiterchance. In den Internetforen stehen die Prognosen 75:25 für Lewis.

Für Klitschkos Manager und Promoter Klaus-Peter Kohl ist es der wichtigste Kampf seiner Karriere – genau wie für Klitschko selbst. Gewinnt er, steht ihm das große Geld offen – weit mehr als die 1,4 Millionen US-Dollar garantierte Kampfbörse, die Klitschko in dieser Nacht verdient. Lewis bekommt 5 Millionen – und das ist wenig im Vergleich zum Mega-Fight gegen Mike Tyson vor einem Jahr.

Klitschko steht am Höhepunkt einer so steilen Karriere, dass sie eine klare Niederlage kaum verträgt: Seit 1996 Profi, musste er erst bei seinem elften Profikampf überhaupt einmal länger als zwei Runden boxen, bevor seine Gegner am Boden lagen. Bis zu dem Schicksalskampf gegen Chris Byrd gingen sie alle k. o. – und auch danach überstand nur Timo Hoffmann (die „deutsche Eiche“) 12 Runden mit Klitschko verbeult, aber stehend. Die Klitschkos, Lieblinge aller Prominentengalas, sympathisch im Gespräch, gebildet und gar nicht proletenhaft – aber eisenhart im Ring. Jahrelang haben die PR-Berater dieses Image aufgebaut. Doch dann ging Wladimir im März überraschend gegen den Südafrikaner Corrie Sanders k. o. – Witali steht heute auf dem Prüfstand.

„Klitschko hat noch nie gegen einen wie mich geboxt“, begründet Lewis seine Siegesgewissheit. Und da, gestehen die Klitschko-Fans stirnrunzelnd, hat der überhebliche Brite leider ganz schön Recht. BERND PICKERT

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