Höhere Renten für Deutsche in Tschechien

Prager Regierung will Minderheit entschädigen. Das Geld soll aus dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds kommen

PRAG taz ■ Deutsche, die nach dem Zweiten Weltkrieg nicht aus der Tschechoslowakei vertrieben wurden, dürfen hoffen: Tschechiens Vizepremier Petr Mares hat eine Entschädigung für die deutsche Minderheit vorgeschlagen. Dafür würden die Tschechen gern den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds anzapfen.

Rund 50.000 Mitglieder der einst 3 Millionen starken deutschen Minderheit durften oder mussten nach dem zweiten Weltkrieg in der Tschechoslowakei bleiben. Die, die einen zweifellos antifaschistischen Hintergrund hatten oder die, deren Expertise für den Wiederaufbau des Landes unverzichtbar war, blieben von der Vertreibung verschont. Nicht aber vom Stigma, Deutscher zu sein. Sie wurden Bürger zweiter Klasse. Die Beneš-Dekrete, die Enteignung und Vertreibung deutscher Kollaborateure legalisierten, bezogen sich nicht auf die Deutschen, die im Lande bleiben durften. Enteignet wurden sie dennoch, allein ihre deutsche Nationalität war hierfür Grund genug.

In den ersten Nachkriegsjahren wurden viele Deutsche zu Zwangsarbeit in Arbeitslagern oder landwirtschaftlichen Genossenschaften verdammt. Denjenigen, die an einer deutschen Universität im Protektorat Böhmen und Mähren studiert hatten, wurde durch ein weiteres Beneš-Dekret ihre akademische Qualifikation aberkannt. Die Folge war de facto Berufsverbot und eine oft schlecht bezahlte Arbeit.

Zudem mussten die Deutschen aufgrund ihrer Nationalität 20 Prozent ihres Lohns an einen „Fonds zur Erneuerung der Republik“ abführen. Die Nachwehen dieser Diskriminierung fühlen sie noch heute. Denn niedrigeres Einkommen bedeutet niedrigere Rente. „Wir sollten festlegen, wie wir die Art und Weise betrachten, auf die wir nach dem Krieg die nationale Komposition unseres Staates vereinfacht haben“, erläuterte Mares seinen Entschädigungsvorschlag. Er betonte, es handelesich nicht um eine Geste gegenüber den Sudetendeutschen, sondern um einen „humanitären Akt“, um der deutschen Minderheit zu helfen.

Premier Vladimir Spidla, der noch vor der ersten Lesung des Entschädigungsvorschlags mit Widerstand in Parlament und Gesellschaft rechnet, bleibt zurückhaltend: „Falls der Vorschlag gerecht und rechtens ist, lässt sich darüber diskutieren.“

Schlau konzipiert ist er auf jeden Fall: Sollte eine Entschädigung durch die Mittel des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds erfolgen, bleibt die tschechische Staatskasse recht unbelastet, da der Zukunftsfonds größtenteils von Deutschland aus finanziert wird. Dafür dürften die Tschechen aber ihr Gewissen erleichtern und durch eine Entschädigung den nach dem EU-Beitritt befürchteten Klagen der deutschen Minderheit bei europäischen Gerichtshöfen zuvorkommen.

ULRIKE BRAUN