Endspurt für Zwischenlager

Atommüll-Lager an den AKW-Standorten sollen noch in diesem Jahr genehmigt werden.Verzichten Betreiber auf WAA-Transporte? BfS warnt vor Hautkrebsrisiko durch Sonnenstrahlung

aus Berlin ARMIN SIMON

Lingen, Grohnde und Grafenrheinfeld haben die Genehmigung schon. Für weitere neun AKW-Standorte will das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) noch in diesem Jahr den Weg zu eigenen Atommüll-Zwischenlagern frei machen. Ohne Castor-Halle bleiben Mülheim-Kärlich, Obrigheim und Stade. Das gaben Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) und BfS-Präsident Wolfram König gestern bei der Vorstellung des BfS-Strahlenschutzberichts 2002 bekannt.

Bundesweit haben über 200.000 BürgerInnen Einspruch gegen die dezentralen Atommülldepots erhoben – offensichtlich ohne Erfolg. Es gebe „derzeit keine Hinweise auf Schwachpunkte, die zum Versagen der Genehmigung führen würden“, sagte König. Trittin betonte, man habe sowohl für die dezentralen Zwischenlager als auch für die fünf beantragten Interimslager – für maximal fünf Jahre genehmigte Abstellplätze auf AKW-Gelände – Auswirkungen eines gezielten Flugzeugabsturzes geprüft. In keinem Fall komme es dabei zu einer „unzulässigen“ oder „katastrophalen“ Freisetzung radioaktiver Stoffe.

Eduard Bernhard vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) bezweifelt das. Trittin halte die Ergebnisse der Terrorstudie unter Verschluss. Das BfS widersprach: Die vollständige Untersuchung könne aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht werden, Vorgehen und wesentliche Ergebnisse habe man aber publiziert.

Kritik an der Genehmigungspraxis des BfS gab es indes auch aus Fachkreisen. Der Bremer Reaktorphysiker und Mitglied der Strahlenschutzkommission des Bundes etwa, Richard Donderer, hatte schon vor Monaten beklagt, dass die Atommüllhallen in Süddeutschland mit dünneren Wandstärken als die im Norden gebaut werden dürfen. „Da hätte man ohne großen Aufwand dafür sorgen können, die heute bestmögliche Schadensvorsorge durchzusetzen“, sagte er.

Transporte in die Wiederaufarbeitungsanlagen (WAA) sollen gemäß dem „Atomkonsens“ ab Juli 2005 verboten sein. König deutete an, dass einzelne AKW-Betreiber die Transporte nach La Hague und Sellafield auch schon vorher reduzieren oder einstellen könnten – um Kosten zu sparen. Die Wiederaufarbeitung, sagte Trittin, sei sowieso nur eine „technisch begleitete Zwischenlagerung im Ausland“. RWE betonte, man wolle an der Wiederaufarbeitung bis 2005 zumindest „als Option“ festhalten. In welchem Umfang man diese aber nutzen werde, hänge auch vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Standort-Zwischenlager ab.

BfS-Präsident König warnte gestern auch vor sorglosem Sonnenbaden. Vielen BürgerInnen verdrängten das Krebsrisiko durch UV-Strahlung – obwohl es wissenschaftlich erwiesen sei. Mediziner verzeichneten einen „dramatischen Anstieg“ der Hautkrebsfälle auf 120.000 pro Jahr. Insbesondere Kinder seien gefährdet. ARMIN SIMON