Ex Utero

Nach dem Hype und vor einer ungewissen Zukunft: Das Konzert der australischen Band The Vines im SO 36

Langsam wird es ernst für die ganzen jungen Rock’n’Roll- und „The“-Bands. In den letzten zwei Jahren hatte sich alles wie von selbst ergeben: Bandgründungen, umjubelte erste Albumveröffentlichungen, Coverstorys, ausverkaufte Clubs etc. Nun aber will das alles bestätigt werden; nun muss gezeigt werden, dass da Substanz ist oder es eines fernen Tages zumindest für einen Vertrag mit Vodaphone reicht. Die australischen The Vines deuten die Problematik der schwierigen zweiten Bandphase im Titel ihres zweiten Albums an: Es heißt in Bezug auf den Erfolg der frühen Tage „Winning Days“ und Vines-Sänger Craig Nicholls orakelt im zugehörigen Song: „The winning days are gone.“

Was das Konzert in Berlin und wohl auch die Albumverkäufe der Band in Deutschland anbetrifft, liegt er damit richtiger, als ihm lieb sein dürfte: Das Konzert wurde vom Veranstalter wegen mangelnder Nachfrage kurzfristig vom Huxleys ins kleinere SO 36 verlegt. Dort lässt es sich an diesem Donnerstagabend aber ebenfalls angenehm flanieren, so verhalten ist der Andrang. Verhalten ist auch die Begeisterung für die Vorband der Vines, für Marr aus Hamburg. Zweite Dischord-Liga, Shudder To Think in klein, deutsch und traurig, ein paar schöne Ideen, aber kein Druck. Vor allem aber ein Sänger, der in seiner Pubertät wohl zuviel Jane’s Addiction gehört hat.

Bei den Vines ist das natürlich anders: Der erste Song bringt die ersten Reihen sofort in Wallungen, die sich auch in Folge nur langsam legen. Allerdings sind die Vines keine Band, die dauernd vergnügt und simpel nach vorn rockt. Midtempo-Songs und Balladen sind ihr bevorzugtes Genre, Sixties-Psychedelik und Nirvana zu „In Utero“-Zeiten, was der hübsche, eigensinnige Craig Nicholls unterstreicht, in dem er mit seiner Gestik und seinem Gesangsspiel versucht, teenage angst, altersweise Gebrochenheit und flatterhafte Divenhaftigkeit zu vereinen.

Das ändert jedoch nichts daran, dass das Konzert eher unentschlossen wirkt und die Songs des neuen Albums nicht recht greifen wollen. Nur schwer lässt sich sagen, wo genau nun die Vines zu verorten sind: Näher an einer Kreuzberger Schülerband? Oder doch wenigstens im Dunstkreis von Nirvana und den Beatles? Ihr toller, zwei Jahre alter High-Speed-Hit „Highly Envolved“ jedenfalls ist der Höhepunkt des Konzerts. Was nahe legt, dass die große Zeit der Vines schon wieder vorbei sein könnte.GERRIT BARTELS