Rollzelle für Raubkopierer

Die Filmindustrie kriminalisiert Raubkopierer mit einer weiteren Kampagne. Und spielt trotzdem nicht mehr ein

Bisher konnte man leider nur auf Leinwand und Plakaten sehen, was im Deliktfall blüht: Ein paar härtere Jungs begrüßen die weicheren Neuzugänge in ihren Knast-Zellen mit der herzlichen Vorfreude auf ihre „knackigen Ärsche“. Weil das aber nicht reicht, um das Ausmaß des Verbrechens und seine Folgen zu verdeutlichen, wird sich der Knast demnächst vorsorglich bei potenziellen Neuzugängen vorstellen: Unter dem Label „Knast on Tour“ werden ab Sommer nachgebaute Gefängniszellen durch die Republik rollen, damit „jeder für fünf Minuten das Leben eines ehemaligen“ – nein, nicht Drogendealers – sondern das eines „ehemaligen Raubkopierers“ kennen lernen kann.

Teil zwei einer Abschreckungskampagne, die die deutsche Filmwirtschaft unter dem Titel „Raubkopierer sind Verbrecher“ seit November 2003 fährt. Und damit ihren Beitrag leistet zur fortschreitenden Tendenz, Privatpersonen prophylaktisch zu kriminalisieren: Ob Putzhilfe oder Filmkopierer, das Prinzip ist ähnlich: Überwachen, Drohen, Abschrecken.

Grund für die aktuelle Euphorie der Retter der legalen Kopie, die Downloader (für den Privatgebrauch) weiterhin stigmatisieren anstatt – wie es angebracht wäre – den Abschreckungskrieg endlich zu beenden, ist eine Entwicklung, die die „Zukunft Kino Marketing GmbH“ (ZKM) im Auftrag der Filmwirtschaft gestern präsentierte: „Die Angebote aktueller Kinofilme im Internet haben sich nahezu halbiert“, so die Geschäftsführerin der ZKM, Elke Esser. Kopien aktueller Filme, das bedeutet nach dem Urheberrechtsgesetz: illegale Kopien. Dafür drohen bis zu fünf Jahre Haft, da die Rechte des Urhebers verletzt werden.

So notwendig der Schutz des Urhebers und die Stärkung von Autorschaft ist, die kriminelle Gleichsetzung privater Nutzer mit organisierten Raubkopierer-Netzwerken führt nicht dorthin.

Die Filmindustrie suggeriert als Motivation ihrer Kampagnen ein am Allgemeinwohl orientiertes Interesse an gesellschaftlichem Rechts- bzw. Unrechtsbewusstsein. Letztlich jedoch zielen die Aktionen auf nichts anderes als ökonomische Interessen. Gesunkene Einspielerlöse lassen sich aber immer noch nicht glaubhaft nur auf Raubkopien zurückführen. Obwohl: Nur ein kriminalisierter Filmfan geht selbstverständlich wieder ins Kino – und zahlt. SL