Die Welt ordnen

„Architekturen der Zeit“: Literaturhaus bietet Filme und Lesungen zum Sommerthema. Die Protagonisten: Siegfried Zielinski, Klaus Wyborny und Heinz Emigholz

Im Hamburger Architektur-Sommer wollen Metropolis und Literaturhaus mitreden. Kein Problem. Denn Filme sind „Architekturen in der Zeit“, so der Titel der Reihe. Sagt Professor Heinz Emigholz. „Raffiniert passiv wie schweigende Gräber, in die etwas versenkt wird, sitzen wir im Kino und reimen uns die Welt zusammen. Bei Häusern ist das anders.“

Emigholz wird diese Sätze im Rahmen seiner Lecture (Das schwarze Schamquadrat) vortragen, und wir können uns fragen, ob wir das mit der Rezeption im Kino richtig machen. Architektur bringt Ordnung in die Wahrnehmung. Ist das so? Die Hamburger Veranstaltung ist akademisch abgesichert, aber noch nicht in trockenen Tüchern. Feuchte Stellen sind zu erwarten, magische auch. Gleich heute im Literaturhaus. Dort sind Zielinski, Wyborny und Emigholz zu erleben. Thema: vergessene, verdrängte oder bisher unbekannte Abenteuer einer unmöglichen Gegenwart des Medialen. Die Avantgardefilmer Wyborny und Emigholz zeigen ordentlich rezipierbare Filme, Tankstellenhäuschen quer zur angesagten Architektur oder die Erfindung des Fußballfelds quer zur unordentlichen Natur (Sulla). Der historische Sulla lebte vor 2.000 Jahren, Wybornys Film hat 2003 Premiere. Ein Männerfilm. Am Staats-Organ Sulla baumelt das Geschlechts-Organ. Wie nehmen die beiden Organe die Welt wahr? Verwirrt, verstört, erfüllt von „Wichs- oder sonstwie politischen Phantasien“, sagt Klaus Wyborny (Universität der Künste Berlin). Sulla wichst, und Aemilius guckt ihm zu. Wie visualisiert man den Masturbationszwang des Mannes und gleichzeitig seinen Kraftakt, sich die Welt zu unterwerfen?

Sulla war der erste Großarchitekt, der städtische Plätze und holprige Natur planierte und zubetonierte. Die sullanische Architektur ist so platt wie das heute noch beliebte Primat des Narrativen. Im Film. In Wybornys Sulla wird der Text „Bei den Pinien“ vorgetragen. Was dahinter verborgen wird, das sichtbar zu machen, ist das ureigene Geschäft des Avantgardefilmers. Die Bildstrukturen, die sich überlagern, reißen den Zement auf, unter dem die Natur begraben liegt. Und warum identifiziert sich Beton-Sulla mit Ameisen, Tannenzapfen und Pferdeäpfeln? DIETRICH KUHLBRODT

Lesung Siegfried Zielinski aus Architektur der Medien – Tiefenzeit des technischen Hörens und Sehens: 23.6. Präsentation von Ausschnitten des Films Sulla mit Klaus Wyborny: 24.6.. Lesung Heinz Emigholz aus Das schwarze Schamquadrat: 25.6. Jeweils 20 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38