Flüchtlingschikane wegen Appel und Ei

Auch Asylsuchende, die länger als drei Jahre in Deutschland sind, sollen nicht den vollen Sozialhilfesatzes bekommen. „Bremen wird zum Vorreiter des bundesweiten Abbaus von Flüchtlingsrechten“, kritisiert das Bündnis „Ratschlag Bremer Asylpolitik“

Bremen taz ■ Einen „Angriff auf die Menschenwürde“, ein „populistisches Spiel auf dem Rücken der Ärmsten“ – so nennen kirchliche Gruppen und Flüchtlingsinitiativen vom Bündnis „Ratschlag Bremer Asylpolitik“ den Gesetzesvorstoß Bremens, Sozialleistungen für Asylbewerber dauerhaft herabzusetzen. Konkret geht es darum, dass Flüchtlinge, deren Status auch nach drei Jahren noch nicht geklärt ist und die deshalb in Deutschland nur geduldet sind, rund ein Drittel weniger Leistungen erhalten sollen als deutsche Sozialhilfeempfänger.

„Das ist also die liberale und weltoffene Stadt Bremen“, kommentierte anlässlich eines Pressegesprächs Britta Ratsch-Menke, Geschäftsführerin der Ökumenischen Ausländerarbeit in Bremen. „Jetzt wird die Hansestadt zum Vorreiter des bundesweiten Abbaus von Flüchtlingsrechten.“ Bislang ist die Rechtslage so, dass Asylbewerber in den ersten drei Jahren einen sehr viel geringeren Hilfesatz bekommen. Danach aber können sie einen Antrag stellen, der sie in Geld- und Hilfsleistungen einem deutschen Sozialhilfeempfänger gleichstellt, auch wenn ihr Asylantrag nicht bewilligt ist oder sie aufgrund des eng gefassten deutschen Ausländerrechts nur den Status eines „Geduldeten“ haben. Wenn es nach dem Bremer Senat geht, soll damit jetzt Schluss sein. Wer kein anerkannter Asylbewerber sei, der werde ohnehin bald ausreisen oder ausgewiesen werden – es habe also auch keinen Zweck, Geld für seine Integration auszugeben, ergo brauche er auch weniger Sozialhilfe. So lautet in Kürze die Begründung für den Vorstoß.

Flüchtlinge, die unter die neue Regelung fielen, sollen medizinische Leistungen nur noch im akuten Notfall erhalten, sie sollen nicht mehr das Recht haben, nach drei Jahren von der Sammelunterkunft in eine normale Wohnung umzuziehen und ihre Hilfe zum Lebensunterhalt läge um 25 Prozent unter dem bisherigen Satz. Das alles ist „völlig unlogisch und widersprüchlich“, so Danja Schönhofer, Flüchtlingsberaterin in Bremen. „Denn wer länger als drei Jahre hier ist, der kann womöglich aus medizinischen oder humanitären Gründen nicht ausgewiesen werden. Oder sein Heimatland will ihn nicht wiederhaben“. Schönhofer weiß von Fällen, in denen Familien schon seit 13 Jahren im prekären Stand der Duldung sind. Sie müssten in Zukunft diese 13 Jahre unter sozial verschärften Umständen verbringen. „Eine Bankrotterklärung des Sozialstaates, einen Angriff auf die Menschenwürde“ nennt dies Bernd Mesovic, Sprecher von Pro Asyl.

Ein populistischer Angriff zudem, wie Jürgen Stein, Mitarbeiter des Diakonischen Werks ergänzt. „Wo man sich um Integration nicht bemüht, da ist sie auch nicht möglich“, beschreibt er den Teufelskreis einer verfehlten Flüchtlingspolitik. „Und am Ende heißt es, Flüchtlinge schotten sich ab“, ergänzt Britta Ratsch-Menke die gefährliche Botschaft der Bremer Gesetzesinitiative.

Danja Schönhofer hat zudem errechnet, dass es in Bremen um nichtige Summen geht. „Die neue Regelung beträfe 1.390 Menschen, die rund ein Drittel weniger Leistungen bekämen. Für das Land geht es hier um höchstens 1,5 Millionen Euro jährlich. Für die einzelnen Menschen aber geht es um die Frage, ob sie dauerhaft verelenden.“

Die Grünen bezeichneten den Bremer Vorstoß als „geschmacklose Profilierung“. Der innenpolitische Sprecher Matthias Güldner sagte, es sei peinlich, dass ausgerechnet Bremen sich als Vorreiter bei der möglichst schlechten Behandlung von Flüchtlingen produziere. Im Sozialressort sieht man die Sache naturgemäß anders. Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) verteidigte die Initiative des Senats. Sie gehe auf eine Vereinbarung im Bremer Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU zurück. Die Änderung sei „ausschließlich der finanziellen Not des Landes Bremen geschuldet“. Grundsätzlich setze sie darauf, dass es gelinge, die Asylverfahren zu beschleunigen. Elke Heyduck