DAS SOLLTEN SIE SEHEN Winter mit Zuckerguss

Zu viel Glück

Wie güldenes Feuer vibriert die Luft in der Eiseskälte. Die schweren Äste der Weiden und Fichten hängen tief über den Köpfen der spazierenden Horden von Kindern und ihren Eltern. Wie kleine Gnome stolpern Erstere durch die weiße Pracht, so eingemummelt sind sie, dass die Ärmchen wie kleine Antennen abstehen. Alle lächeln, halten sich an den Händen, bewerfen sich liebevoll mit kleinen Schneebällen. Die Wintersonne verleiht ihren blassen Gesichtern dabei ein gesundes Rosa, die Augen glitzern. Ich erwarte, jederzeit die Titelmusik einer Maggie-Werbung zu vernehmen oder zumindest die Milka-Kuh auf einem Schneeberg zu erblicken.

Stattdessen nur weiterhin glückliche Menschen, die auf dem eingefrorenen See angeln und auf ihren Schlittschuhen majestätisch dahingleiten. Mit den Armen auf dem Rücken, lauter Hans-guck-in-die-Lufts. Das Knirschen von beflügelten Schritten auf dem funkelndem Puderzuckerteppich verleiht dem Tag einen reißenden Rhythmus, das Gleiten der Schlitten die passende Melodie. Und dann auch noch das glockenhelle Kindergelächter. An Tagen wie diesen weiß man plötzlich, woher eigentlich Klischees kommen. Und ich verfluche meine Gedanken dafür, dass sie wie ein billiger Werbespot oder eine Hollywood-Schnulze klingen.

Da, endlich: Ein murrendes, asexuelles Männchen in altmodischer Wollmütze mit Ohrenklappen und einem mottenzerfressenen Mantel humpelt mir entgegen. „Scheißkälte, wie ick dat hasse! Die hätten och ruhig ma streuen können hiar!!“, und schon rutscht es aus und plumpst auf den Boden. Jetzt lächle ich. Und zufrieden jogge ich nach einer letzten Runde um den Weißen See wieder nach Hause. DANIELA SALETH