fußpflege unter der grasnarbe
: Blutwurst mit drei Streifen

Kürzlich war ich mit drei Freunden, alles Sportjournalisten, in Herzogenaurach, der kleinen fränkischen Provinzstadt unweit der Provinzmetropole Nürnberg. Warum wir dort waren, darf ich nicht sagen, das ist geheim. Nur so viel: Es hat mit einem großen Sportartikelhersteller zu tun. Früh setzten wir uns in meinen VW-Bus und verbrachten einen Großteil der sechseinhalb Autobahnstunden damit, uns zu erinnern, wie der Bruder von Adolf Dassler geheißen hatte. Lange amüsierten wir uns darüber, dass sein Name womöglich Dietmar gewesen war. Hätte er und nicht Adi seinerzeit die Firma gegründet, so würde David Beckham heute in Klamotten von dididas herumlaufen und niemand würde das komisch finden. ullidas und udodas gefielen uns auch noch, bis uns endgültig die Fantasie verließ. Der richtige Name war uns nicht mehr eingefallen.

Jeder Sportjournalist sollte einmal im Leben Herzogenaurach besucht haben. Denn Herzogenaurach ist ein Ort der Wunder. Dort wurde aus einer Schuhmacherwerkstatt das Mekka der Sportklamotte. Dort ging Lothar Matthäus zur Schule. Und dort lebte und starb Adi Dassler. Für mich war in Wahrheit immer er der Fußballgott gewesen. Schließlich hatte der Mann den Stollenschuh erfunden und uns Deutschen damit vor einem halben Jahrhundert den WM-Titel beschert.

Gerne gebe ich daher zu, dass ich seit meinem fünften Lebensjahr ein Dreistreifenmensch bin. Meine ersten Fußballschuhe hatten drei Streifen, meine letzten hatten welche und die dreißig Paare dazwischen auch. So hatte ich mir fest vorgenommen, als Krönung unserer Reise neue Copa Mundial der Größe 8,5 frisch vom Werk zu kaufen. Die Herzogenauracher Sportgeschäfte stehen ohnehin alle leer, da in Outlet Stores am Ortsrand vergünstigte Dreistreifenware angeboten wird.

Bevor wir einen der riesigen Konsumtempel betraten, parkten wir am Adi-Dassler-Platz und besuchten das Gasthaus „Zum Roten Ochsen“. Rainer bestellte Blutwurstlasagne, Matthias einen Hirschbraten und Eberhard ofenfrisches Schäuferle, eine Schweineschulter. Als Vegetarier bevorzugte ich einen Zucchini-Auberginen-Auflauf (mehr zur Speisekarte unter www.gasthaus-roter-ochse.de und nun zurück zu den Streifen).

Voller Vorfreude nannte ich einem Angestellten das Modell und meine Schuhgröße. Der Mythos entzauberte sich binnen eines Augenblicks und begab sich auf die Stufe der zehntausend deutschen Sportläden, wie es sie in jeder Fußgängerzone gibt. „Schuhe nicht vorrätig? Nur noch ab Größe 10?“, fragte ich sicherheitshalber nach, ganz im Glauben, auf den Arm genommen worden zu sein. „Können Sie nicht schnell welche machen“, flehte ich, „ich bin extra aus Hamburg...“

Doch es wurde nur müde gelächelt. Mit leeren Händen verließ ich Herzogenaurach und die Welt der drei Streifen. Wieder zu Hause schlug ich sofort den Namen des Bruders nach. Er hieß Rudolf. Seine Firma hatte er aber nicht rudidas genannt, sondern „Rudolf Dassler Sportschuhfabrik“, kurz: Puma.