Glanz zum Schluss

Selbst die Deutsche Kammerphilharmonie kann Strawinskis Nudel-Klassizismus nicht retten

Sehr verführerisch war der erste Teil des Sonderkonzertes der Deutschen Kammerphilharmonie nicht. Modern, aber dann doch nicht so richtig modern, weil man letzteres vom neoklassizistischen Stil eines Igor Strawinski oder Serge Prokofieff nicht eben behaupten kann.

Das Feuer, das in Strawinskis Sacre du printemps 1913 für einen der größten Uraufführungsskandale der Musikgeschichte sorgte, war 1941 erloschen: Die Danses concertantes für Kammerorchester mögen noch so viele schicke und dankbare Solostellen haben, sie wirken, obwohl hinreißend gespielt, einfach kraftlos. Schuld ist der eklektische Stil, der ohne Ziel vor sich hin nudelt. Die Ironie, mit der Dirigent Gérard Korten die Wiedergabe garnierte, wirkte gut. Das Stück rettete sie nicht.

Genauso wenig wie die russische Traumgeigerin Viktoria Mullova das zweite Violinkonzert (1935) von Serge Prokofieff rettete, der seinen Neoklassizismus aus ganz anderen Gründen verfolgte: 1933 hatte ihn das Heimweh nach Russland zurück getrieben. Der Preis war ein musikalischer Stil, der dem Sowjetstaat genehm war. Mullowa spielt die circensische wahnsinnige Virtuosität gerade des letzten Satzes bewegend sicher und schön, die Lyrik des zweiten Satzes mit einer Tongebung, die Zauberkraft assoziiert: Es war geradezu so, als adele sie mit ihrem Spiel ein wenig das fragwürdige Werk.

Da wirkten dann die ersten Takte der großen Jupiter-Sinfonie von Wolfgang Amadeus Mozart wie eine Erlösung, macht der doch meisterhaft vor, wie man Tradition beerbt. Seine Fuge des letzten Satzes, kombiniert mit der Sonatenhauptsatzform, entfacht solche vorwärts peitschende Kraft, dass man dem zeitgenössischen Kritiker – „Triumph der neuen Tonkunst“ – noch heute beipflichten kann. Allemal in einer Wiedergabe, die zuverlässigste Kammerphilharmonie-Tradition ist: die Ausgewogenheit von präziser Geste, genauer Artikulation und langem, mitreißenden Atem. Vielleicht war’s eine Idee zu hochgepeitscht, aber nur eine Idee. Und mit der Zugabe, einer witzigen Rossini-Ouvertüre von Gioacchino Rossini war der dröge Anfang vollkommen vergessen. USL