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Der Feind sitzt in der Seele

Selbstmord ist die häufigste Todesursache bei Tod durch Gewalteinwirkung. Neuer Bericht der Weltgesundheitsorganisation. Suizid wird aber darin kaum thematisiert

BERLIN taz ■ Der größte Feind des Menschen ist er selbst. Ganz persönlich. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt in ihrem neuen Bericht „Gewalt und Gesundheit“ an, dass 49,1 Prozent aller Tötungen durch Gewalt Selbsttötungen sind.

815.000 Menschen weltweit haben sich laut WHO im Jahr 2000 das Leben genommen. An zweiter Stelle stehen die Tötungen durch andere Personen: 520.000 weltweit und damit 31,3 Prozent der Gewaltopfer. Erst an dritter Stelle steht der gewaltsame Tod durch Krieg: 310.000 Menschen sollen dabei im Jahr 2000 umgekommen sein, 18,1 Prozent aller Gewaltopfer.

Dass Gewalt der Gesundheit nicht zuträglich ist, galt bisher als makabre Binsenweisheit. Die WHO allerdings nimmt sie zum ersten Mal ernst: in Form eines umfassenden Berichts, der nichts weniger bewirken soll als einen gigantischen Paradigmenwechsel.

Das Gesundheitssystem, so erläuterte Marc Danzon, Regionaldirektor der WHO in Europa, der den Bericht gestern in Berlin vorstellte, habe immer nur mit den Folgen der Gewalt zu tun: Verletzte verarzten, psychologische Defekte therapieren, ungewollte Schwangerschaften betreuen. Gewalt sei zwar ein allgemeines soziales Problem, das bedeute aber nicht, dass man sie nicht bekämpfen könne. Die Gewalt auslösenden und verstärkenden Faktoren seien schließlich bekannt. Dazu zählt die WHO unter anderem geringes Einkommen, ein starkes Machtgefälle in den Geschlechterbeziehungen, die Verbreitung von Waffen und Drogenkonsum. Starkes Augenmerk legt die Organisation auch auf das drohende Entstehen von Gewaltkulturen, also eines Klimas, das Gewalt befördert oder ihr gleichgültig gegenübersteht.

Der Report listet eine Reihe von Projekten auf, die der Gewaltprävention dienen sollen – und auch ihr großes Problem: „Es gibt tausende von Projekten, kaum eines davon wird auf seine Wirkung hin überprüft“, fasste der Leiter der Abteilung Gewaltprävention der WHO, Etienne Krug, gestern nüchtern zusammen. „Von den wenigen, die evaluiert werden, haben die meisten absolut keine Wirkung gezeigt. Aber: Es gibt auch einige, deren Wirkung erwiesen ist.“ Ein Beispiel seien Programme, in denen in den Balkanländern mit Kindern, die Gewalt erlebt haben, Stress- und Aggressionsmanagement betrieben wird, um die „Erbfolge“ der Gewalt zu durchbrechen.

Die WHO spricht in ihrem Bericht neun Empfehlungen zur Gewaltprävention aus. Sie betreffen unter anderem Basismaßnahmen wie das Sammeln einschlägiger, weltweit keineswegs vorhandener Daten, etwa über Gewalt in Partnerschaften oder gegen ältere Menschen. Auch das Stärken der Erziehungskompetenz von Eltern wird empfohlen, oder dass Geschlechtergerechtigkeit und Gewaltvermeidung in die Lehrpläne integriert werden sollen – bis hin zum Klassiker: das Eindämmen des Kleinwaffenhandels. Merkwürdig ist dabei: Gegen die Gewalttat Nummer eins, die Selbsttötung, ist der WHO kaum etwas eingefallen. HEIDE OESTREICH

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