nebensachen aus wien
: Von Auffangvorrichtungen für Pferdeäpfel und wund gescheuerten Rössern

Touristen, die ab Mitte Juni in Wien die Dienste eines Fiakers in Anspruch nehmen, werden sich über eine kuriose Einrichtung unter dem Pferdehintern wundern: die Pferdewindel, deren Anbringung ab dann gesetzlich vorgeschrieben ist. Fiaker sind jene zweispännigen Pferdekutschen, die zum Wiener Stadtbild gehören wie die Tauben zum Markusplatz von Venedig.

Die Kutscher – oder in jüngster Zeit auch Kutscherinnen – sind gewöhnlich im Stil des späten Biedermeier gewandet. Sie kennen alle Winkel der Kaiserstadt und jede Menge Anekdoten. Jetzt ist man dahinter gekommen, dass sie nicht nur Devisen in die Stadt bringen, sondern auch Pferdemist.

Seit einigen Jahren schon tobt eine Debatte über die Entsorgung der Pferdeäpfel, die während der Fahrt auf dem Asphalt oder Buckelpflaster landen. Derzeit kümmert sich ein privater Reinigungsdienst um die Beseitigung. Was den Fiakern jährlich 145.000 Euro wert ist, greift für Hygienefanatiker zu kurz. Ende April einigten sich SPÖ, die im Wiener Stadtrat die absolute Mehrheit hat, und ÖVP auf eine Novelle des Wiener Fiaker- und Pferdemietwagengesetzes, die den Rossen Pampers verordnet.

Die Kutscher haben also, so heißt es in schönstem Amtsdeutsch, per Auffangvorrichtung sicherzustellen, „dass Verunreinigungen der Straßen durch feste Ausscheidungen der Zugpferde weitgehend verhindert werden“. Diese Vorrichtungen haben auf Tiergerechtheit und Verkehrssicherheit geprüft zu sein. Auch Brüssel musste seinen Senf dazugeben und befand die Lösung für EU-konform.

Landet dennoch ein Rossknödel auf der Straße, droht dem Kutscher eine Verwaltungsstrafe von bis zu 3.500 Euro. Die Bezirksvertretung der Inneren Stadt und vor allem die Fiakerinnung leisteten lange erbitterten Widerstand gegen das Vorhaben. Die Stinksackerl seien unästhetisch und würden die Pferde wund scheuern. Heinrich Frey von der Fachgruppe für Fiaker bezweifelt überhaupt, dass die Knödelfänger eine Lösung des Geruchsproblems bringen können. Der oftmals von Passanten beklagte Gestank entstehe nämlich nicht durch die Pferdeäpfel, sondern durch den stark ammoniakhaltigen Urin. Und der könne mit vernünftigen Mitteln nicht aufgefangen werden.

Insgesamt würden pro Tag bei rund 60 Gespannen mit 120 Pferden etwa 2.400 Liter Pisse durch die Rinnsale laufen. Mitstreiter fanden die Fiakerkutscher in den Wiener Grünen. Stadträtin Claudia Sommer-Smolik sprach von einem „Schildbürgerstreich erster Ordnung“. Es bestehe die Gefahr, dass sich die Pferde mit den Windeln wund scheuern würden. Und sogar die FPÖ setzte sich für eine tierfreundliche Lösung ein. Ein privater Reinigungsdienst solle sich der Ausscheidungen annehmen und den städtischen Gärten als Dünger zuführen.

Nach langen Diskussionen und einem runden Tisch ließen sich auch die Fiaker breitschlagen. Damit aber nicht genug: Die umfehdete Gesetzesnovelle schafft auch das gläserne Pferd. Innerhalb von acht Wochen ab Inkrafttreten des Gesetzes muss jedes Tier zwecks behördlicher Registrierung einen „zifferncodierten, elektronisch ablesbaren, isogenormten Mikrochip“ implantiert bekommen. Auch wo selbiger anzubringen ist, regelt das Gesetz: „subkutan, auf der linken Halsseite im Übergang vom ersten zum mittleren Halsdrittel oberhalb der Wirbelsäule“.

RALF LEONHARD