Halb Rostock trinkt auf Hansas Deckel

Während Hansa Rostock nach dem 3:0 gegen 1860 im Ostseestadion den endgültigen Klassenerhalt feiern kann,wird der Strohhalm, an dem die Erstligazugehörigkeit der mutlos auftretenden Münchner hängt, zusehends dünner

ROSTOCK taz ■ Hansa-Präsident Manfred Wimmer ließ es sich nach dem 3:0-Erfolg gegen den TSV 1860 München nicht nehmen, die 23.000 Fans persönlich zu „Bier, Cola und Bratwurst“ einzuladen. „Wir wollen Freibier für alle“, hatte der Anhang bereits ab der 75. Minute skandiert, und weil Rostock nach Toren von Max (15.), Rydlewicz (48. Elfmeter) und Tjikuzu (82.) nun auch rein rechnerisch nicht mehr absteigen kann, zog sich der Verein tatsächlich die Spendierhosen an: Bis 20 Uhr trank halb Rostock auf Hansas Deckel, woraufhin die Spieler noch beim Auslaufen gefeiert wurden. Nach Ausschankschluss im Ostseestadion entwickelte sich vor den Stadiontoren ein spontanes Spiel: hundert gegen hundert mit einem Ball – was selbst die Polizei zu Freudentränen rührte.

Weniger ausgelassen ging es bei den Münchener Löwen zu. Die sitzen nach der Niederlage derart tief im Abstiegsschlamassel, dass Präsident Karl Auer in den Katakomben bereits vom „sofortigen Wiederaufstieg“ nuschelte, der „selbstverständlich“ sei. Er selbst will auf jeden Fall Präsident bleiben, schließlich sei auch in der zweiten Liga „aus der Mannschaft noch viel rauszuholen“. Man fragte sich, wie er das nun wieder meinte, der Rest war Schweigen im Walde.

Viel gab es ja auch nicht mehr zu sagen, nach diesem Nulldrei, von dem Gerald Vanenburg meinte: „Wir müssen damit zufrieden sein.“ Stimmt! Es hätte ebenso ein 0:5 sein können – und 1860 hätte immer noch zufrieden sein müssen. Münchens Trainer war der Einzige, dem es in Rostock trotzdem nicht die Sprache verschlug. Die Pressekonferenz eröffnete er mit der Feststellung: „Okay, das war heute nicht so schön für uns. Das Leben ist schwer, aber wir haben noch zwei Spiele.“ Und vier Punkte Rückstand wohlgemerkt. Der Gute-Laune-Trainer verriet: „Ich weiß, wo das Problem liegt.“ Nur sagen wollte er es nicht. Auf jeden Fall scheint es etwas Ernstes zu sein, denn München spielte fast mitleiderregend. Zwar war das Team optisch überlegen, was aber eher an die Fußballspiele aus Kindertagen erinnerte, wo das stärkere Team das schwächere etwas spielen lässt, damit es nicht die Lust verliert. 1860 München hatte in Rostock keine Chance und darf nun ein letztes Mal beim Spiel am Samstag gegen die Hertha hoffen.

Nach Aussage von Oberlöwe Auer war das Team auch in Rostock „vor dem Spiel guter Hoffnung“. Im Spiel sah es dann meist so aus wie in der 62. Minute. Da stand Lance Davids an der Seitenlinie zum Einwechseln bereit und als Schiedsrichter Kircher die Partie unterbrach, um Davids Zutritt zum Spiel zu verschaffen, wollte kein Sechziger runter. Vanenburg brach den Vorgang ab, zeterte mit Davids – und das Spiel ging weiter. Eine Minute später folgte der zweite Versuch: Wieder Davids an der Seitenauslinie, wieder wollte keiner runter – bis Marco Kurz ein Einsehen hatte und vom Platz trottete. Die zum Abklatschen ausgestreckte Hand Vanenburgs übersah Kurz kurzerhand und trat dafür entschlossen und ausdauernd gegen die Auswechselbank. So energisch hatte man ihn in den ganzen 60 Minuten zuvor nicht erlebt.

Sehenswert war auch die Kopfballvorlage von Torhüter Hofmann auf Hansa-Stürmer Martin Max. Der nahm diese aus 20 Metern direkt auf und verwandelte sie zum 1:0. Sein 20. Saisontreffer, eine persönliche Rekordmarke und wieder redeten alle von der Nationalmannschaft und dem Verbleib bei Hansa Rostock. Max sagte unerbittlich: „Noch ein Jahr geht nicht. Meine Laufbahn ist beendet, auch in der Nationalmannschaft.“ Er sagte auch noch: „Ich bin stolz auf diese Mannschaft.“ Rostocks Bemühungen, ihn zur Vertragserfüllung zu bewegen, werden wohl umsonst sein – wie das Bier nach dem Abpfiff. Hansa-Trainer Schlünz sagte: „Wenn er sagt, er will nicht, dann will er nicht.“ Dies meinte er zwar nur zum Premiere-Interviewer, der sich bei ihm erkundigt hatte, ob Max nicht doch die DVD für den besten Spieler des Tages in Empfang nehmen möchte. Aber so ist es wohl – ob man das nun will oder nicht. DIRK BÖTTCHER