Drei Monate Schonfrist

Die Ausbildung benachteiligter Jugendlicher durch das insolvente Arbeiter-Bildungs-Centrum (ABC) kann vielleicht gerettet werden. Löhne und Gehälter zahlt für drei Monate das Arbeitsamt

„Wo ich auch hinkomme, Ihre Arbeit wird überall geschätzt“

taz ■ Die 120 fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des vorläufig insolventen Arbeiter-Bildungs-Centrums (ABC) können aufatmen. Für die nächsten drei Monate sind ihre Löhne und Gehälter nach Aussage des vorläufigen Insolvenzverwalters Detlev Stürmann wahrscheinlich gesichert. Bei einer Betriebsversammlung in den Räumen des ABC an Use Akschen sagte der Rechtsanwalt Stürmann gestern, er sei zuversichtlich, dass das Arbeitsamt in den nächsten Tagen das sogenannte Insolvenzgeld bewillige. Das bedeutete, dass die Arbeitslosen-Versicherung den Beschäftigten von ABC drei Monate lang – von Juni bis August – ihr volles Nettogehalt inklusive aller Bezüge und Zuschläge weiter bezahlt.

Ob es das ABC, eine Tochter der Arbeitnehmerkammer Bremen, aber auch in einem Jahr noch geben wird, ist jedoch offen. „Das geht nur, wenn dieses Unternehmen wieder Kosten deckend arbeitet“, sagte Stürmann. In den vergangenen fünf Jahren war das nicht mehr der Fall. Jedes Jahr musste die Arbeitnehmerkammer ein Defizit ausgleichen. Die zwei Millionen Euro, die im April für das Geschäftsjahr 2002 in der Kasse fehlten, waren dann zu viel: Am 12. Juni hatte die Arbeitnehmerkammer das ABC für vorläufig insolvent erklärt.

Im Gegensatz zu anderen Firmen lag das beim Bildungs-Centrum aber weder an fehlenden Aufträgen noch an schlechten Produkten. „Aufträge hatten wir genug“, so Geschäftsführer Hans Jürgen Rauscher. Und die meisten sind mit der Arbeit der Weiterbildungseinrichtung zufrieden. Kunden sind das Arbeitsamt, der Senator für Arbeit und der Senator für Bildung. „Ich habe selten erlebt, dass Kunden ein zahlungsunfähiges Unternehmen durch die Bank loben“, sagte Insolvenzverwalter Stürmann, dessen Kanzlei auch schon Firmen wie Flowtex abgewickelt hat. Das ABC bildet unter anderem Jugendliche aus, die in keinem Betrieb genommen werden. Geld bringe das auch: „ABC hatte 2002 höhere Einnahmen als 2001“, sagte Geschäftsführer Rauscher. Das Problem seien aber die guten Tarifverträge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „ABC hat in der Vergangenheit häufig zu ungünstige, langfristige Arbeitsverträge abgeschlossen“, so Rauscher, der selbst erst seit Frühjahr im Amt ist.

Also wird es wohl nicht ohne harte Einschnitte abgehen, zumal beim Staat „eh nichts zu holen ist“, so Hans Jürgen Rauscher. Vielleicht wird es die Ausbildung der schwer vermittelbaren Jugendlichen treffen. Die sei „keine originäre Aufgabe“ der Kammer. Deshalb sollen nach Beschluss der Arbeitnehmerkammer nach bisherigem Stand nur noch die bestehenden Ausbildungen bis 2007 zu Ende geführt werden. Die Ausbilder ständen danach auf der Straße.

Der Betriebsrat hat allerdings ein eigenes Konzept entwickelt, nach dem die Mitarbeiter in einer neuen Trägergesellschaft die Arbeit fortführen. „Dieses Konzept hat durchaus eine Chance“, sagte Rauscher. Das muss aber noch vom Insolvenzverwalter geprüft werden. Und der wird mit der voraussichtlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.9. wohl Detlev Stürmann heißen, der schon auf der Betriebsversammlung gestern darauf hinwies, dass sich ein neues Unternehmen aus eigener Kraft tragen müsse. „Schließlich hafte ich für Entscheidungen auch mit meinem Vermögen“, so Stürmann.

„Aber mit einer motivierten Belegschaft schaffen wir es“, sagte der vorläufige Insolvenzverwalter. Die wird allerdings noch unangenehme Nachrichten zu verdauen haben. „Eine Sanierung hätte 30 Mitarbeiter den Arbeitsplatz gekostet, die Auflösung der Jugendbildung noch einmal 40 bis 50“, so Hans Jürgen Rauscher. Doch auch wenn die 30 ABC-Leute erst einmal bleiben können: „Es wird nicht ohne betriebsbedingte Kündigungen gehen.“ Markus Vollstedt