„Der Landesbeirat ist eine große Chance“

Der Integrations- und Migrationsbeauftragte Günter Piening wird den Beirat leiten. Er setzt auf eine demokratische Auswahl der Vertreter und hofft, dass der Rat als „Scharnier“ Senat und gesellschaftliche Gruppen verbindet

taz: Herr Piening, nur 6 Vertreter im Beirat für circa 180 Migrantengruppen. Sind das nicht zu wenige?

Günter Piening: Ziel bei der Konstruktion dieses Gremiums war, es überschaubar und handlungsfähig zu gestalten. In einem 23-Personen-Gremium 13 Vertreterinnen und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen zu haben und dabei 6 von Migrantengruppen selbst zu bestimmende Personen, halte ich für eine gute Balance. Die Frage bei der Besetzung ist also nicht, ob sie realisierbar ist, sondern wie wir eine transparente Auswahl schaffen. Bei der Form des Verfahrens gab es zwei Alternativen: entweder ein demokratisches Wahlverfahren mit allen Unwägbarkeiten oder eine Art Auswahlverfahren von oben. Ich habe mich für das Erstere entschieden.

Warum hat das Auswahlkriterium Herkunftsgebiet Priorität vor der Fachkompetenz?

Die Selbstorganisation der Migrantinnen und Migranten hat sich in Berlin sehr stark entlang der Herkunftsidentitäten entwickelt. Dieses merke ich auch an den Kandidatenvorschlägen, die jetzt an mich herangetragen werden. Ich halte dies in gewissem Sinne für legitim. Wichtig ist es aber, gleichzeitig Kompetenzen einzubringen. Den beteiligten Migrantenverbänden muss klar sein, dass keine Fürsprecher einer Herkunftsregion gesucht sind, sondern kompetente Persönlichkeiten, die allgemeine Problemlagen der MigrantInnen einbringen.

Es gibt 40 eingetragene Migrantengruppen, manche sind jedoch mit mehreren Vereinen vertreten. Kann eine Wahl so gerecht sein?

Die Liste der anzuhörenden Vereine ist offen. Alle Vereine, die bis zum Stichtag Mitte Juli einen Antrag gestellt haben und die Kriterien erfüllen, werden zu der Wahlversammlung eingeladen. Das Dilemma ist, dass in Berlin auf Landesebene kein anderes Gremium existiert, das die Repräsentanz der MigrantInnen widerspiegelt.

Könnten auch Parteien Einfluss nehmen – etwa wenn ein türkischer Vertreter des SPD-nahen Türkischen Bundes gewählt wird?

Die Verantwortung liegt bei den Migrantenverbänden. Der Landesbeirat ist eine große Chance für Berlin, weil er erstmals eine Partizipation der Verbände auf Berliner Landesebene festlegt. Aber es ist nun einmal dort wie überall in der Demokratie: Werden aus gruppenspezifischen Interessen heraus Personen ohne große Akzeptanz gewählt, ist das eine schlechte Startvoraussetzung. Mich hat sehr erschrocken, dass ich manchmal auf eine skeptische Grundstimmung selbst bei den Migrantenvereinigungen gestoßen bin, dass man sich überhaupt einigen könne.

Ursprünglich sollten Vertriebenenverbände die Aussiedlerverbände vertreten. Bleibt es dabei?

Dies stieß besonders in Marzahn auf Kritik. Darin überlagern sich zwei Ebenen: zum einen hat der Landesverband der Vertriebenen Akzeptanzprobleme gerade bei den Vereinen im Osten der Stadt. Zweitens liegt das Gefühl der Marzahner zugrunde, insbesondere im Bereich der Integrations- und Migrationsarbeit in Berlin vernachlässigt zu werden. Letzte Woche wurde ein Kompromiss gefunden: Die Besetzung der Stelle wird in die Verantwortung der Landsmannschaft der Russlanddeutschen gegeben. Der Vorsitzende des Verbandes hat zugesagt, die Wahl der Vertreter in möglichst großem Konsens mit den Verbänden der Aussiedler vorzunehmen.

Weiterer Kritikpunkt ist die Aufnahme des Flüchtlingsrates. Weshalb halten Sie ihn für ein wichtiges Mitglied?

Die gesellschaftliche Stimmung im gesamten Bereich Migration und Integration wird auch dadurch bestimmt, wie wir mit der Frage der Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern umgehen. Deswegen ist das richtig und gut, dass ein Vertreter des Flüchtlingsrates im Beirat Mitglied ist.

Was erhoffen Sie sich von der Arbeit des Beirats?

Ich hoffe, dass dieses Gremium ein Scharnier sein wird zwischen den Senatsverwaltungen und den verschiedenen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Gruppen. Erfolg hat das Gremium, wenn es ihm gelingt, eine gewisse Autorität zu gewinnen. Dann können hier wichtige Impulse für die zukünftige Migrations- und Integratitonspolitik ihren Ausgangspunkt nehmen.INTERVIEW: SUSANNE LANG