village voice
: Ein Kraftakt der Jugendverrohung: Taktlo$$ und Jack Orsen

„Ich trink kein Alk, ich trink gleich nen Liter Heroin, ich komm aus Westberlin“

Und wieder beschert die umtriebige Berliner HipHop-Szene den geneigten Hörern zwei interessante neue Werke. Nachdem Sido gerade erst mit seinem unverzichtbaren Album „Maske“ einen überraschenden Einblick ins Leben im Märkischen Viertel gewährt hat, kommen nun Jack Orsen und sein Kollege Taktlo$$ daher, um ihre spezielle Kreuzberger Sicht der Dinge zu vermitteln.

Man muss dazu wissen, dass die beiden Rapper, die früher neben Kool Savas Mitglieder von MOR waren, ihrem Selbstverständnis nach zwei ganz besonders gemeine Gangsta-Typen sind, die das harte Leben im Kreuzberger Getto-Kiez schonungslos geformt hat. Vor kurzem haben sie mal wieder eine ihrer zahlreichen Haftstrafen wegen Mordes, Vergewaltigung oder Drogenhandel abgesessen und deswegen die erfahrungsgemäß knappe Zeit bis zur nächsten Ingewahrsamnahme genutzt, um ihr elegant betiteltes Werk „Direkt aus dem Knast (du Spast)“ flott einzuspielen.

Natürlich verfolgten sie dabei eine Mission: „Direkt aus dem Knast / Gehen wir in den Wahlkampf / Denn wir sind für ein besseres Getto“ erklären sie im „Intro“, wobei gleich unmissverständlich deutlich wird, dass sie nicht nur ein ehrenwertes soziales Anliegen umtreibt, sondern dass sie das Rappen auch derart eigenwillig beherrschen, dass sie bei ihren Texten gern großzügig auf jede Reimfunktion verzichten.

Vor allem Taktlo$$ hat eine Art des Sprechgesangs perfektioniert, mit denen er seine psychopathischen Texte angemessen psychopathisch zu Gehör bringt. „Ich trink kein Alk mehr, ich trink gleich nen Liter Heroin, ich komm aus Westberlin“, erzählt er, um mit Orson schon in der nächsten Strophe wieder mehrere Menschen zu töten, Frauen zu missbrauchen und all die anderen Dinge zu tun, mit denen sich waschechte Kiez-Gangsta so ihre Freizeit vertreiben. Dazu rumpelt die Musik gefällig, während Taktlo$$, der auch der Betreiber des Labels Fick die Biaaatch Rekordz ist, es dann und wann für angebracht hält, das Ganze mit einem lässigen „Biaaatch“ zu akzentuieren.

Es scheint dabei, als hätten Orsen und Taktlo$$ es sich in den Kopf gesetzt, jede Schlechtigkeit, die man landläufig mit HipHop in Verbindung bringt, derart grotesk zu übersteigern, dass am Ende eine restlos kopfschräge Satire herauskommt, die einerseits sehr lustig ist, andererseits aber die schlimmsten Befürchtungen bestätigt.

Obwohl „Direkt aus dem Knast (du Spast)“ schon ein beachtlicher Kraftakt in Sachen fröhlich fahrlässiger Jugendverrohung ist, ließ Jack Orsen es sich nicht nehmen, mit seinem zeitgleich veröffentlichten Solo-Debüt dort weiterzumachen, wo seine Zusammenarbeit mit Taktlo$$ aufhört. Doch trotz des Titels „Note 1+“ ist das Album bestenfalls befriedigend ausgefallen, weil darauf der Irrsinn nicht ganz so irrsinnig funkelt, wie man es gern hätte.

Zwar hat sich Jack Orsen von seinem hüftsteifen Rap-Roboter-Image befreit und zu diesem Zweck auch an seiner Technik gefeilt, doch sowohl die tapferen Grenzüberschreitungen als auch die rundum kaputten Scherze wirken etwas bemüht. Dafür hat Orsen eine beachtliche Anzahl von Gästen um sich geschart, die das Werk ein wenig auflockern. Neben Eko Fresh und Justus Jonas sticht dabei wieder einmal Taktlo$$ heraus, der in dem restlos beknackten Stück „HHHure“ sein Bestes gibt. Auch großer Schwachsinn verlangt eben Talent. HARALD PETERS

Taktlo$$/Jack Orsen: „Direkt aus dem Knast (du Spast)“; Jack Orsen: „Note 1+“, beide: Royal Buncker/Groove Attack