General mit starkem moralischem Kompass

US-General Antonio M. Taguba verfasste den Untersuchungsbericht über Folter im Gefängnis Abu Ghraib

Manchmal ist ein Schriftstück so brisant und skandalös, dass darüber der Name des Autors in Vergessenheit gerät. So geschehen mit dem nur noch als „Taguba-Report“ bekannten Untersuchungsbericht über die Foltermethoden im irakischen Gefängnis Abu Ghraib, dessen Ergebnisse Anfang Mai aus dem Pentagon an US-Medien durchsickerten.

Verfasst wurde der Bericht von General Antonio M. Taguba, der nie die Aufmerksamkeit suchte und Interviews konsequent ablehnt. Erst jetzt, da er gestern als Zeuge vor den Streitkräfteausschuss im US-Kongress geladen wurde – wo man sicher sein kann, dass er dort auf keine Feindseligkeit trifft wie vor wenigen Tagen Pentagonchef Donald Rumsfeld – steht er plötzlich im Rampenlicht.

Mut ist vielleicht Tagubas wichtigste Eigenschaft. „Wenn du die Wahrheit wissen willst, Taguba wird sie dir sagen. Er lässt sich nicht einschüchtern“, zitiert die New York Times einen Offizier, der unter Taguba diente. Diesen Mut dürfte er von seinem Vater geerbt haben, der als Soldat einer philippinischen Einheit im Zweiten Weltkrieg für die Amerikaner kämpfte, von den Japanern gefangen wurde, floh und erneut in den Widerstand ging.

Taguba wurde 1950 in Manila geboren. Mit elf Jahren zogen seine Eltern nach Hawaii. Wie für viele eingewanderte Asiaten war für ihn Ausbildung stets der Weg zum Erfolg. Er studierte an diversen Hochschulen und Militärakademien und arbeitete sich in der Armee-Hierarchie hoch. Dabei übte er immer wieder Kritik am US-Militär, an der Ignoranz gegenüber asiatischstämmigen Soldaten sowie den Missständen in der Armee. Kollegen sagen von ihm, er habe einen „starken moralischen Kompass und die Vision einer noblen Armee“.

Ende Januar wurde der in Kuwait stationierte Taguba vom Chef der Landstreitkräfte der Besatzungsmacht beauftragt, eine interne Untersuchung über die 800. Militärpolizei-Brigade im Gefängnis Abu Ghraib durchzuführen. Einen Monat sammelte er vor Ort Informationen. Seine Vorgesetzten verlangten, die Ermittlungen sollten sich nur auf die Militärpolizei beschränken. Doch Taguba hielt sich nicht an die engen Vorgaben.

Einer seiner schwersten Vorwürfe richtet sich gegen den Militärgeheimdienst. Diesen verdächtigt er, „entweder direkt oder indirekt für die Misshandlungen verantwortlich zu sein“ – ein Vorwurf, der dem Pentagon Kopfschmerzen bereitet und die Generäle in Erklärungsnot stürzte. Denn damit widerspricht Taguba der Militärspitze und der US-Regierung, die lediglich von Einzelfällen sprechen. Stattdessen sieht Taguba dahinter systematische Verhörmethoden.

Unter philippinischen Einwanderern genießt Taguba Heldenstatus. Auch viele Kollegen zollen ihm Respekt. Eine Wertschätzung von Seiten der US-Regierung steht jedoch noch aus. Stattdessen teilte das Pentagon mit, Taguba soll jetzt Vize-Direktor für Reservistenangelegenheiten in Washington werden. Das gilt nicht als belohnender Karrieresprung. MICHAEL STRECK