Schwere Vorwürfe gegen britische Soldaten

Amnesty international veröffentlicht Fälle, in denen brutal gegen Zivilpersonen vorgegangen wurde. Zum Beispiel Hanan Saleh Matrud (8)

BERLIN taz ■ Die Vorwürfe haben mit Gefangenenmisshandlung nichts zu tunund wiegen doch schwer: Nach einem gestern veröffentlichten Bericht von amnesty international sind die britischen Truppen im Irak verantwortlich für den Tod einer ganzen Reihe von Zivilpersonen. Gemeint ist nicht die bis heute unbekannte Zahl von Zivilisten, die während der „Hauptkampfhandlungen“ zwischen Beginn des Krieges und 1. Mai 2003 ums Leben kamen, sondern jene mindestens 37 Personen, die seitdem von britischen Truppen erschossen wurden, obwohl keine erkennbare Gefahr von ihnen ausging.

Zum Beispiel die 8-jährige Hanan Saleh Matrud. Zwei Versionen gibt es darüber, was am 21. August 2003 in Qarmat Ali im Südirak passierte. Die Armee behauptet: Zwei Militärwagen seien in dem damals als feindlich gesinnt eingestuften Gebiet Patrouille gefahren und von einer Menschenmenge mit Steinen beworfen worden. Die Soldaten hätten daraufhin einen Warnschuss in die Luft abgegeben, woraufhin sich die Menge aufgelöst habe. Minuten später sei eine andere Gruppe aufgetaucht, die die 8-jährige Hanan blutend, aber noch bei Bewusstsein herbeigetragen habe. Ob die Verletzung tatsächlich von dem Warnschuss stammte, könne nicht bewiesen werden, sei aber möglich.

Die Familie und irakische Augenzeugen berichten gegenüber amnesty international eine ganz andere Version: Es habe überhaupt keine Steinwürfe auf die Soldaten gegeben. Ein britisches Militärfahrzeug habe am Ende der Straße, die zu Hanans Haus führt, angehalten und drei oder vier Soldaten seien ausgestiegen. Eine Gruppe von Kindern, darunter Hanan, sei neugierig zusammengelaufen, sechzig oder siebzig Meter entfernt. Plötzlich habe einer der Soldaten auf die Kinder angelegt und einen Schuss abgefeuert, der Hanan im Unterleib traf. Ihr Onkel habe sie aufgehoben und zu den Soldaten getragen. Die hätten sie zunächst nicht ins Krankenhaus bringen wollen, es dann aber doch getan. Am nächsten Morgen, so viel ist unstrittig, starb Hanan.

Den Fällen, die ai in dem neuen Bericht dokumentiert, liegt allen ein ähnliches Schema zugrunde: Todesschüsse aufgrund von Missverständnissen oder ohne jeden erkennbaren Grund. Gleich ist aber auch, dass es nur selten zu Ermittlungen und bislang in keinem einzigen Fall zu einem Verfahren gekommen ist. Die Angehörigen der Opfer werden grundsätzlich nicht über den Stand der Ermittlungen informiert, kritisiert ai, und sie erhalten auch keine Informationen darüber, was sie tun müssen, um Entschädigungsforderungen geltend zu machen. BERND PICKERT

http://web.amnesty.org/library/Index/ENGMDE140072004?open&of=ENG-IRQ