Auf Kampnagel ringen heute Abend die Philosophie-PerformerInnen der Gruppe „DREI“ mit Verkehrsschildern und dem Tod
: Die eigene Endlichkeit ertragen

„Von Zeit zu Zeit und aus der Ferne sollte man ein Grabesbad nehmen“, schreibt der Poet Pablo Neruda. Diese Gelegenheit will die Philosophie-Performance Gruppe DREI ihrem Publikum heute Abend auf Kampnagel bieten. Ihre Veranstaltung „Tod“ gibt dem Raum, was der öffentliche Diskurs gern ins Reich der Krimiserien verdrängt – dem Umgang mit dem eigenen Sterben und der eigenen Endlichkeit. Darüber wollen die „DREI“ in ihrer vorerst letzten Veranstaltung mit ihrem Publikum sprechen.

Das Thema Tod führt jeden Menschen zwangsläufig an die Schwelle des Philosophierens“, so DREI-Mitglied Christian Gefert. Die Endlichkeit, das ist der gemeinsame Nenner aller Menschen, der Umgang damit sehr unterschiedlich. Die einen verdrängen, die anderen verzweifeln oder sehen, wie Albert Camus, im Selbstmord den Ausdruck höchster menschlicher Freiheit. „Der Tod, das ist für mich doch immer der Tod des Anderen. Und dann gilt es zurückzufragen, welche Bedeutung hat das für mich. Zum Beispiel eröffnet mir das Bewusstsein, dass wir beide endlich sind, neue Möglichkeiten im Umgang miteinander“, so DREI-Philosophin Heidi Salaverria. Die eigene Endlichkeit lasse den Menschen einerseits das Leben in seiner Fülle wertschätzen, andererseits bringe sie auch die grausame Erkenntnis absoluter Verwundbarkeit mit sich.

Performer Bernhard Schleiser hält es eher mit Epikur: „Mich muss der Tod nichts angehen, denn wo der Tod ist, bin ich nicht, und wo ich bin, ist der Tod nicht.“ Wie aber kommt man zu dieser entspannten Erkanntnis? Epikur gelangte dorthin über eine lange Auseinandersetzung mit sich selbst, seinen Gefühlen, seiner Umwelt. Voraussetzung ist, sich auf Ängste einzulassen. Insofern wollen die DREI mit ihren kleinen Vorträgen im Rahmen ihrer Veranstaltung auch keinen Schnellkurs zum Umgang mit der Tod geben, sondern eher „unser Licht vom Unaussprechlichen verdunkeln lassen“, so Bernhard Schleiser. „Wir ringen selbst mit der Problematik“, ergänzt sein Kollege Christian Gefert. „Wir werkeln daran, vor und mit dem Publikum.“

Deshalb gestalten die DREI ihre Bühne als Baustelle, Verkehrsschilder sollen Aspekte des Todes symbolisieren. „Sackgasse, Einbahnstraße, Stoppschild, das sind die Ikonen, an denen wir uns entlanghangeln“, erklärt Heidi Salaverria. Mit Bedacht rekurrieren die DREI nicht auf die gängigen Todessymbole wie Sarg oder Kreuz. Sie wollen ganz im Gegenteil altbekannte Bilder hinter sich lassen. Auf ihrer Baustelle wollen sie deshalb nicht über Bestattungsrituale im kulturellen Vergleich sprechen. Denn dies führt einen, so finden sie, von sich selbst weg. Auch soll es nicht um religiöse Fragen gehen, beispielsweise ob man an ein Leben nach dem Tod glaubt. Interessant ist für die DREI in diesem Zusammenhang höchstens die Frage danach, welche Funktionen gewisse Jenseitsvorstellungen erfüllen. Dienen sie der Beruhigung, trösten sie, behindern sie selbständiges Denken?

Dies wird übrigens das persönlichste aller ihrer bisherigen philosophischen Experimente werden. Einzig Christian Geferts Vortrag könnte die Flucht ins Generelle zulassen. Er stellt nämlich mit Arthur Schopenhauer den individuellen Tod als „Ausscheidung eines Exkrements einer Gattung“ dar. Will sagen: Das Ableben des Einzelnen ist notwendig für den Erhalt der Gattung Mensch, individuelle Unsterblichkeit würde, um im Bild zu bleiben, erst zur Verstopfung, dann zum Darmverschluss und schließlich zum Tod der Gattung Mensch führen. Dieses Bewusstsein scheint Schopenhauer Zuversicht im Umgang mit der eigenen Endlichkeit gegeben zu haben. Könnte es sein, so könnte man weiterdenken, dass die moderne Ichbezogenheit die Verzweiflung über die Notwendigkeit des eigenen Sterbens mit sich bringt? Und umgekehrt: Ist die Vorstellung vom ewigen Leben nicht auch der Horror?

Katrin Jäger

Do, 13.5., 21 Uhr, Kampnagel