Idiosynkratische Gangster

Groteske mit Beckett‘schen Zügen: Roman Polanskis „Wenn Katelbach kommt“ läuft in dieser und der nächsten Woche im Metropolis

Klassiker des europäischen Kinos, wie sie das Metropolis-Programm nennt, sind Ekel und Wenn Katelbach kommt fürwahr. So früh wie nur wenige wurde Roman Polanski mit diesen beiden in England gedrehten Arbeiten Mitte der 60er Jahre zu einem internationalen Regisseur. Nach Polen heimgekehrt, von wo er sich 1962 nach Frankreich absetzte, ist er imgrunde erst mit Der Pianist, der im letzten Jahr vielfach ausgezeichneten Aufarbeitung seiner Kindheitserlebnisse im Warschauer Ghetto. Auch dies freilich eine internationale Produktion.

Nach längerem ist jetzt Wenn Katelbach kommt wieder zu sehen. Dessen Drehbuch schrieben Polanski und Gérard Brach bereits 1962/63 unter dem Eindruck der ersten Filme der Nouvelle Vague, welche Polanski jedoch – ihrer teilweisen technischen Amateurhaftigkeit wegen – auch nicht über alle Maßen schätzte. Wenn Katelbach kommt, wie Cul-de-sac zuerst auch im Original heißen sollte, erinnert nicht zufällig in vielem an Samuel Becketts Warten auf Godot. Ursprünglich wollte Polanski den Klassiker des absurden Theaters sogar direkt verfilmen – was Beckett, obwohl er Polanskis Arbeit schätzte, jedoch verweigerte und dies 1965 – von Alain Scheider assistiert – gleich selbst besorgte.

Schauplatz von Wenn Katelbach kommt ist eine entlegene Küstenregion Englands, in die sich ein ehemaliger Fabrikbesitzer (Donald Pleasance) mit seiner jungen Frau (Fancoise Dorleác, Catherine Deneuves 1967, ein Jahr nach dem Film gestorbene ältere Schwester) zurückgezogen hat. In diese vermeintliche Idylle brechen zwei Gangster ein – Richard (Lionel Stander) und Albert (Jack MacGowran), die von einem verpatzten Coup gerade noch verletzt entkommen konnten. Während letzterer langsam dahinsiecht, beginnt ersterer bald seine unfreiwilligen Gastgeber zu drangsalieren. Dass der Gangsterboß, Katelbach, der immer mal wieder angerufen wird, noch persönlich auftaucht, daran glauben sowohl die Figuren als auch der Zuschauer immer weniger.

Weit mehr noch als in Ekel adaptiert Polanski in Wenn Katelbach kommt Elemente des amerikanischen Genre-Kinos. Natürlich tut er dies hier wie auch später immer wieder auf ganz und gar eigenständige Weise. Zwei so idiosynkratische Gangster hatte es im Kino bis dahin wohl nicht gegeben. So sehr der Film auch seiner experimentierfreudigen Zeit verhaftet ist, so sehr sind aber auch Polanskis immer wiederkehrende Themen und Figurenkonstellationen präsent: Etwa die Unfähigkeit des Individuums, sich in einer plötzlich veränderten Umgebung zurechtzufinden.

Bei der Berlinale 1966 erhielt Polanskis Gangster-Groteske, die „alle Anhänger feinnerviger, offener Erzählformen schockieren muss“ (Frieda Grafe) den Goldenen Bären. Er selbst bekundete damals: „Wenn ich auf der Suche nach dem Kino wäre, wie zum Beispiel Samuel Beckett auf der Suche nach dem Theater ist, würde ich nur Filme machen wie Cul-de-sac. ECKHARD HASCHEN

Di, 21.15 Uhr; Mi, 17 Uhr; Do, 19 Uhr, Metropolis