Weiter sanieren? Ja, aber nicht so

Längerfristig sei Bremen auf dem richtigen Sanierungsweg, bescheinigt das IAW dem Senat. Bremen brauche aber noch weiter Bundeshilfe, weil ein Strukturwandel länger als zehn Jahre dauert. Wichtig: Investitionen in Köpfe und Stadtteile

taz ■ Rosig sieht es für die Bremer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht aus. Das sagt zumindest der gestern von der hiesigen Arbeitnehmerkammer vorgelegete Bericht „zur Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Lande Bremen 2002“.

Da die Kammer davon ausgeht, dass die nun zehn Jahre dauernde Bremer Sanierungspolitik Einfluss auf die Lebenslage der ArbeitnehmerInnen hat, besteht das erste Berichtskapitel aus einer vorläufigen Bilanz der Sanierungsdekade. Die haben Rudolf Hickel und Wiebke Lang vom Institut für Arbeit und Wirtschaft (IAW) vorgelegt. Fazit: Die Grundentscheidung, dass Bremen parallel die Sanierung der öffentlichen Haushalte und die Stärkung der Wirtschafts- und Finanzkraft durch öffentliche Investitionen anstrebt, sei richtig gewesen. Dieser Weg müsse fortgesetzt werden. Die Politik sei fälschlich davon ausgegangen, dass die Sanierung in zehn Jahren geschafft sein könne. Bremen sei über das Jahr 2005 hinaus auf die Unterstützung des Bundes angewiesen. Es müsse dann unter anderen Vorzeichen weiter saniert und investiert werden, sagten die IAWler.

Die Statistiken im Bericht spiegeln den Sanierungserfolg nicht so deutlich wider: Die Zahl der Arbeitslosen im Land ist gestiegen, die EinwohnerInnenzahlen sinken weiter. Das Wirtschaftswachstum entwickelt sich mittlerweile zwar positiv, aber nur in dem Maße, dass es die Abkopplung Bremens von der Bundesentwicklung gestoppt hat. Von einem Aufholprozess könne keine Rede sein, sagt der Bericht.

Die WissenschaftlerInnen sehen den Erfolg der bisherigen Sanierung im Strukturwandel: Kleinteiligere Firmen im Technologiepark brächten zwar weniger Arbeitsplätze, aber immerhin seien die verlorenen fast aufgefangen worden. Außerdem sei es nicht Bremens Untergang, falls eines dieser Unternehmen pleite gehen würde, im Gegensatz zur AG Weser oder dem Vulkan, erläuterte Hickel. Die Airportcity und die Entwicklung eines Medienzentrums seien positive Entwicklungen. Wiebke Lang kritisierte, dass in der Vergangenheit bei Investitionen „zu viel geklotzt und zu wenig auf Qualität geachtet worden“ sei, wie etwa beim „in seinen gigantischen Einkaufsflächen überdimensionierten Space Park“. Die Rolle des Tourismus für die Stadt habe Bremen überschätzt.

Der Blick vor allem auf die Außenwirkung Bremens sei für Urbanität, Lebensqualität und Stadtentwicklung in Bremen nicht förderlich gewesen, sagte Thomas Frey, Referent für Stadtentwicklung bei der Kammer. Stadtentwicklung sei mehr als Verkehrsplanung, Wohnungsbau und das Bereitstellen von Gewerbeflächen, so Frey. Das Potenzial, das in den Stadtteilen schlummere, sei in der Vergangenheit nicht genügend berücksichtigt worden. Gerade die Stadtteile müssten aber entwickelt werden, „um die Menschen an die Stadt zu binden“, sagte er. Lang und Frey stießen ins gleiche Horn: Anstelle von Großprojekten, die TouristInnen nach Bremen holen sollen, muss sich Bremen mehr auf die Menschen in der Stadt konzentrieren. Frey mahnte die Förderung „weicher“ Standortfaktoren an.

Die Hickel-Lang-Perspektive für Bremens Zukunft: Berlin müssten die bisherigen Sanierungserfolge verständlich gemacht werden. Zukünftigen Investitionen müssten regionale Wirkungsanalysen vorgeschaltet werden. Neben Investitionen in Technik müsse in Köpfe investiert und urbane Qualitäten gefördert statt gestrichen werden. Regionales Handeln sollte an die Stelle des Bremer Konkurrenzdenkens gegenüber seinem Umland rücken. Ulrike Bendrat

Bericht bei der Arbeitnehmerkammer, ☎ 0421-363 01 63 oder im Netz www.arbeitnehmerkammer.de