Jenseits der rot-grünen Agenda 2010

Erstmals veranstalten Gewerkschafter, Globalisierungskritiker und andere Linke einen gemeinsamen „Perspektiven-Kongress“, um Rot-Grün eine politische Alternative entgegenzusetzen. Trotz Differenzen soll das Bündnis einige Jahre halten

AUS BERLIN NIKOLAI FICHTNER

Es ist ein Experiment. Zum ersten Mal organisieren deutsche Gewerkschaften, Sozialverbände, Globalisierungskritiker und andere soziale Gruppen einen Kongress, um gemeinsam politische Perspektiven zu entwickeln. Die verschiedenen Organisationen haben sich in den vergangenen Monaten angenähert. Sichtbar wurde die neue Koalition bei den Demonstrationen vom 3. April gegen die Agenda 2010 der Bundesregierung. Damals ging es um Protest und Gegenwehr. Jetzt will das Bündnis zeigen, dass es auch Alternativen bieten kann. Gelegenheit dazu bietet der Perspektivenkongress, der vom 14. bis zum 16. Mai in der Technischen Universität Berlin stattfindet. Motto der Veranstaltung: „Es geht auch anders!“

83 Organisationen tragen den Kongress inhaltlich und finanziell. Darunter sind neben den Gewerkschaften IG Metall, Ver.di und IG BAU die Globalisierungskritiker von Attac Deutschland, der Umweltverband BUND, der Arbeitslosenverband und die Memo-Gruppe alternativer Wirtschaftswissenschaftler. Der breite Trägerkreis erinnert an das Konzept der Sozialforen. Auch die Gipfel der Globalisierungskritik in Porto Alegre und Bombay wurden von einer Vielzahl verschiedener Organisationen veranstaltet. Für deutsche Gewerkschaften ist die offene und hierarchiearme Art der Organisation ziemlich ungewohnt.

Doch auch die Globalisierungskritiker von Attac betreten Neuland. Der Kongress ist vornehmlich an sozial- und gesellschaftspolitischen Themen ausgerichtet, die nicht zur Kernkompetenz von Attac gehören. Attac versucht nun, die Globalisierung als Voraussetzung und Hintergrund der Agenda 2010 und des Sozialabbaus auf nationaler Ebene zu begreifen. Konflikte mit den Gewerkschaften sind dabei nicht ausgeschlossen. So haben manche Globalisierungskritiker mit dem Ziel des Wirtschaftswachstums nicht viel zu schaffen, während Gewerkschafter es selten in Frage stellen.

Die Veranstalter erwarten über 1.000 Teilnehmer. Ziel des Kongresses ist es für Philipp Hersel von Attac nicht, „ein gemeinsames Manifest zu verabschieden“. Eher wollen die Veranstalter den Grundstein legen für ein „dauerhaftes Bündnis verschiedener Milieus.“

Wenn sie erfolgreich sind, könnte es schon nächstes Jahr auch in Deutschland ein Sozialforum geben.

www.perspektivenkongress.de