DIETER BAUMANN ÜBER LAUFEN
: Doping auf dem Recyclinghof

Was haben die Sperrmüllentsorgung und das Laufen gemeinsam? Beides löst Glücksgefühle aus

Bevor wir richtig ins neue Jahr schauen, gibt es noch eine Geschichte aufzuarbeiten. Ein Dopingfall, der nie öffentlich wurde. Der Mann blieb ohne Sperre. Es begann alles harmlos.

Meine Waschmaschine blieb im September mitten unter dem Waschgang stehen und auf dem Display erschien der Code C3-PO. Noch glaubte ich an einen guten Ausgang und bestellte einen Handwerker. Zunächst betrachtete er die Maschine, zog ein paar Schrauben an und sagte dann: „Bei der Fehlermeldung C3-PO ist die Elektronik hinüber. Kaufen sie lieber eine neue, das ist billiger.“ Deshalb zog ich los, kaufte eine neue Maschine und nahm sie direkt mit nach Hause. Das war ein Fehler. Denn Fachfirmen, die eine Waschmaschine aufbauen, nehmen die kaputte mit. So hatte ich zwei, eine ganze und eine kaputte Waschmaschine.

Kein Problem, dachte ich, bei uns gibt es zur Entsorgung von Müll unterschiedlich gefärbte Kärtchen. Grün für Sperrmüll, blau für Eisen, rot für Hausgeräte. Die Stadt holt das Gerümpel ab. Allerdings nur, wenn man die Kärtchen losschickt. Ansonsten tut sich nichts. Das ist dann so ähnlich wie mit dem Laufen. Nur vom Reden allein wird man eben nicht fit. Man muss es schlicht tun. Nur allein durch die Betrachtung des Mülls im Keller verschwindet er nicht.

So neigte sich das Jahr 2008 zu Ende und in meinem Keller standen immer noch zwei Waschmaschinen. Am 30. 12. organisierte ich einen kleinen Transporter und lud all meinen Müll hinein. Es blieb, so kurz vor dem Jahreswechsel, nur noch die dritte Variante: Ich musste es selbst wegbringen, zum Recyclinghof. Ein geradezu magischer Ort, ein Ort der absoluten Ordnung. Behandeltes Altholz in diesen Container, Hartkunststoffe dorthin, Metalle auf diesen Haufen, ein Stück alter Teppich … alles ist an seinem Platz. Und am Ende eines Besuches auf dem Recyclinghof, wenn der unaufgeräumte Keller leer ist, macht sich eine Art Glücksgefühl breit, das ich nur vom Laufen kenne.

Das Beladen meines angemieteten Transporters mit alten Lampen, Teppichen und allerlei Krimskrams war kein Problem, doch mit der Waschmaschine hatte ich zu kämpfen. Die wog immerhin 80 Kilogramm! Schließlich bin ich Läufer und kein Gewichtheber. Zum Glück kam ein junger Student des Weges, bei uns in der Stadt gibt es viele davon, und mit vereinten Kräften hatten wir das Monstrum schnell im Wagen. Doch schon zwei Kilometer vor dem Recyclinghof stand ich im Stau. Autos und Transporter, mit und ohne Anhänger, standen mit Unrat und Müll voll gepackt auf der Straße. Alle wollten wie ich zum Jahresende ihren Keller aufgeräumt wissen. Doch dafür zwei Stunden Wartezeit? Für den Müll?

Schnell erfasste ich die Situation und wendete – denn auch am letzten Tag des Jahres war der magische Ort geöffnet. Schon ab sieben Uhr. Am 31. 12. fuhr ich schon um 6.45 Uhr los. Doch auch zu dieser frühen Stunde hatten sich 20 Wagen eingereiht. Alle wollten am letzten Tag des Jahres ihren Müll loswerden, denn immer noch galt das grüne Kärtchen „Sperrmüll“ von 2008. Schließlich hatten wir alle dafür bezahlt. Nach langer Wartezeit lud ich endlich meinen über ein Jahr angesammelten Müll aus dem Transporter und trug alles brav in die vorgesehenen Container. Überwacht durch einen städtischen Müllmann. Doch meine Waschmaschine bereitete mir Bauchschmerzen. Wie sollte ich das 80-Kilo-Ding aus dem Wagen bekommen? Ein Mann in einem Passat-Kombi fiel mir auf. In seinem Heck entdeckte ich eine Waschmaschine. Zu zweit werden wir es schaffen, dachte ich. Ich helfe ihm, er mir. Eine super Idee, wie ich fand.

Gerade wollte ich aussteigen und ihn fragen, da bückte sich der Kerl tief ins Innere seines Wagens, nahm die Waschmaschine wie eine leere Schuhschachtel in die Hände und hob sie mühelos hinaus. Er ging damit zehn Meter, die Arme, ich schwöre es, lang ausgestreckt! Mit offenem Mund schaute ich dem Schauspiel zu und mir war sofort klar: Das geht nicht mit rechten Dingen zu. So eine Leistung ist doch gar nicht möglich. Der Kerl ist doch gedopt. Ganz sicher.

DIETER BAUMANNLAUFEN

Wohin mit dem Müll? kolumne@taz.de Morgen: Barbara Dribbusch über KLATSCH