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: Verschenkte Milliarden

Es gehört zu den Verdiensten der rot-grünen Koalition, die Steuern während ihrer Amtszeit stark gesenkt zu haben. Das Steuerreformpaket, das 2005 mit der Absenkung des Spitzensteuersatzes seinen Abschluss findet, führt insgesamt zu einer Entlastung der Steuerzahler von jährlich rund 50 Milliarden Euro. Das Konzept wurde verabschiedet zu einem Zeitpunkt, als die Wirtschaftsexperten noch anhaltendes Wachstum prognostizieren. Wie wir wissen, kam es nicht so: Kann es da irgendjemand wundern, dass Finanzminister Hans Eichel seinen Haushalt kaum noch zusammenhalten kann?

KOMMENTAR VON MATTHIAS URBACH

Niedrigere Steuersätze schaffen mehr Nachfrage und lassen damit wieder mehr Steuern sprudeln – so lautete das Versprechen der konservativen Wirtschaftsexperten. Die Rechnung ging nicht auf. Auch das Vorziehen eines Teils der Steuerreform 2005 konnte die Nachfrage der deutschen Verbraucher nicht beflügeln. Gleichzeitig entzog sich der Staat die Mittel, selber Nachfrage zu schaffen. Seit zehn Jahren sinken nun die öffentlichen Investitionen und liegen nun um ein Drittel unter dem EU-Durchschnitt – mit katastrophalen Folgen für die Gemeinden.

Es ist beinahe tragisch, dass die Regierung trotz ihrer erheblichen Sparanstrengungen der vergangenen Jahre die Maastrichter Defizitgrenzen nicht einhalten kann. Und es wäre verheerend, wenn sie es versuchte. Es ist richtig, kein großes Sparpaket aufzulegen – denn das würde die Konjunktur schnell abwürgen. Es ist aber genauso falsch, unbekümmert weiter Schulden aufzuhäufen, die die Zinsbelastungen erhöhen und künftigen politischen Spielraum weiter einengen.

Sinnvoller wäre es, Subventionen zu streichen – auch so umstrittene wie die für Steinkohle – und zur Not auch die Steuern moderat zu erhöhen. Das „Einfachsteuer“-Konzept, das Attac, Ver.di und linke Wirtschaftsforscher gestern vorlegten, weist in die richtige Richtung, weil es gleichzeitig viele Steuerungerechtigkeiten bekämpft. Es hat außerdem den Charme, dass es den Großteil der Steuerlücke schließt, den die Steuerschätzung prognostiziert.

So hat das aufrüttelnde Haushaltsloch von 61 Milliarden Euro auch ein Gutes. Jenseits der „Weiter so“-Parolen der Bundesregierung und der Träume der Opposition von noch mehr Steuergeschenken erzeugt eine solche Zahl nicht nur Handlungsdruck, sie schafft auch Platz – für neue Ideen.