erste zwangsversteigerung verhindert
: „Heiße Kartoffel“ Yorckstraße 59

Wohnprojekt wehrt sich

Zwei Millionen Euro, „das ist doch viel zu teuer“, stimmt der Immobilienmakler – edles Tuch in Schwarz-Weiß – dem jungen Mann – grau-verwaschenes T-Shirt, Aufschrift „Gegen Miethaie“ – zu. „Nur mal gucken“, will Ersterer, ein anonymer Interessent, der sich gestern zur Zwangsversteigerung der „Immobilie Yorckstraße 59“ im Amtsgericht Kreuzberg einfand. Eine heiße Kartoffel sei das Objekt, wird der Mann von den Umstehenden belehrt. Schließlich sind die bunten Transparente „Yorckstraße 59 bleibt“, die wenig später im Gerichtsaal entrollt werden, nicht das erste Mal im Einsatz.

„Das Haus müsste man kaufen, nur um es denen zu zeigen“, murmelt ein Rentner angesichts der rund vierzig Frauen und Männern in postautonomer Protestmode, die sich auf Stühlen und Fensterbrettern im Gerichtssaal drängeln. Vorne scheitert gerade die Rechtspflegerin mit dem Hinweis „Kinder können nicht mitbieten“ bei dem Versuch, die jüngsten Bewohner des Hausprojekts aus dem Saal zu verbannen. „Politische Bildung fängt früh an“, halten die Eltern dagegen. Die Kinder bleiben, Polizeibeamte in Kampfmontur verziehen sich wieder auf die Straße, und die Rechtspflegerin beginnt mit dem Versteigerungsritual. Zunächst werden sechsstellige Hpyotheken als „Altlasten“ für potenzielle Käufer aufgelistet. „Wir sind auch eine Altlast“, ruft ein Mittdreißiger; die Anzugträger in der ersten Reihe schmunzeln.

Seit 14 Jahren beherbergt das zur Zwangsversteigerung ausgeschriebene Kreuzberger Fabrikgebäude ein autonomes Wohnprojekt und politische Initiativen. Als man Ende 1988 einen Elfjahresmietvertrag abschloss, stand die Mauer noch, und niemand ahnte, dass das Grundstück Mitte der 90er-Jahre an die Labani GmbH verkauft und einer Hausverwaltung namens GWF übergeben werden würde. Hinter der und anderen Firmen verbirgt sich nicht nur die als Hotel-, Obdachlosen- und Flüchtlingsheim-Betreiber bekannte Sorat-Gruppe, sondern auch Claudia Garski, Ehefrau des einst stadtbekannten Spekulanten Dietrich Garski. Mit Aufsehen erregenden Protesten wehrten sich die Bewohner des Hausprojekts damals erfolgreich gegen eine Verdreifachung ihrer Miete. „Wir haben schon Garski in die Knie gezwungen“, wird dann auch einer der Anzugträger in der ersten Reihe ermahnt. Der lässt sich nicht beirren und bietet trotzdem. Knapp unter einer Million Euro. Zu wenig, fand der Vertreter der SEB Hypothekenbank, wo die Labani GmbH tief in der Kreide steht, und ließ die Versteigerung platzen. Die Bewohner des Hausprojekts verabschieden sich: „Wir kommen wieder.“ HEIKE KLEFFNER