: Ticket in den Himmel
In Südafrika herrscht kein Zweifel daran, dass nach dem knappen Scheitern der Bewerbung für 2006 die Zeit nun reif ist und das Land heute die Ausrichtung der Fußball-WM 2010 zugesprochen bekommt
AUS JOHANNESBURGMARTINA SCHWIKOWSKI
Südafrika hofft und bangt dem Augenblick entgegen, in dem am heutigen Samstag in Zürich der Briefumschlag mit dem Gastgeberland für die Fußballweltmeisterschaft 2010 geöffnet wird. Zuversicht überwiegt bei den fußballbegeisterten Südafrikanern, zumal ein „Traumteam“ in die Schweiz gereist ist, das im letzten Moment die Stimmabgabe der 24-köpfigen Exekutive des Weltverbands Fifa für das Land am Kap beeinflussen soll. Präsident Thabo Mbeki steht an der Spitze der Delegation, der unter anderen auch Erzbischof Desmond Tutu, die früheren Präsidenten Nelson Mandela und Frederik Willem De Klerk sowie Oscar-Preisträgerin Charlize Theron angehören. Ein Schuss „Madiba Magic“ – Mandelas Ausstrahlung – wird es schon richten, glauben die Fans in Südafrika. „Im Jahr der Feierlichkeiten unseres zehnjährigen Bestehens der Demokratie könnte es kaum ein besseres Geschenk geben“, sagte Mandela vor der Abreise. „Südafrika ist bereit.“
Aber Südafrika hat nicht nur seine charamantesten Repräsentanten ins Rennen geschickt, sondern ein hieb- und stichfestes Angebot vorgelegt, eine Präsentation, die das Land nach einem technischen Fifa-Bericht als klaren Favoriten gegenüber den afrikanischen Konkurrenten Marokko, Ägypten und Libyen heraushebt. Die härteste Arbeit hat einer geleistet, der bereits bei der letzten Bewerbung um die Fußballweltmeisterschaft 2006 seine ganze Energie aufgebracht hat: Danny Jordaan, Chef des Wettbewerbskomitees, lässt keinen Zweifel daran, dass Südafrika dieses Mal sogar „noch bereiter“ ist, als im Jahr 2000. Damals entschied der Welt-Fußballverband gegen Südafrika. Durch Enthaltung des Neuseeländers Charles Dempsey erhielt Deutschland mit 12 zu 11 Stimmen die Austragungsrechte, und Südafrika sah einen Traum vorüberziehen. Beim damaligen Wettbewerb hatte der humorige Jordaan in Johannesburg erklärt, er gehe nach Sibirien, falls Südafrika nicht gewinne. Jetzt will er nicht auf Bitterkeiten der Vergangenheit aufbauen, sondern nur an die positive Zukunft denken: „Wir sind ein afrikanisches Land, aber bieten Weltklasse“, ist Jordaan überzeugt.
Ängsten, Südafrika sei ein „unsicherer“ Austragungsort, beugen die Organisatoren mit dem Argument vor, das Land habe in den vergangenen zehn Jahren elf Weltklasse-Veranstaltungen (darunter Rugby- und Cricket-Weltmeisterschaften) reibungslos ausgetragen – ohne jede Vorkommnisse. Acht Stadien sind vorhanden, das größte befindet sich in Johannesburg und fasst knapp 95.000 Zuschauer. Diese Arenen sollen verbessert und vergrößert und fünf weitere Stadien für umgerechnet etwa 220 Millionen Euro gebaut werden. Die WM soll 156.000 neue Arbeitsplätze für die Bau-, Service- und Sicherheitsindustrie bringen. Die Regierung rechnet, dass die Weltmeisterschaft ein Minimum von etwa 3,25 Milliarden US-Dollar einbringen wird. Fernsehübertragungsrechte – mindestens eine Milliarde Menschen werden die Spiele weltweit am Bildschirm verfolgen – sollen allein 60 Prozent der Finanzen rückfließen lassen.
Für den verlorenen Wettbewerb 2000 zahlte Südafrika 73 Millionen Rand (rund 9 Millionen Euro), für 2010 hat Südafrika zugelegt und wird 120 Millionen Rand (etwa 15 Millionen Euro) ausgeben. Der größte Finanzanteil stammt von den 20 kommerziellen Wettbewerbspartnern wie Banken und Firmen. Die Regierung hat versprochen, bis zu Beginn der Spiele auch den Bau der landesweiten Strecken für den geplanten Geschwindigkeitszug „Shilowa Express“, der Johannesburg mit dem Flughafen verbinden soll, fertigzustellen. Das Land bietet zudem erstklassige Hotels, das erste Sechs-Sterne-Hotel ist gerade in Kapstadt im Bau und der Tourismus boomt wie nie zuvor. Eine Herausforderung wird sein, dass Südafrika, wo die Mehrheit der Bevölkerung arm ist, sicherstellen muss, dass die Eintrittspreise erschwinglich sind. Firmen sollen die Eintrittskarten an ihre Angestellten günstig weiterverkaufen. Doch 40 Prozent der Menschen sind arbeitslos. Und problematisch könnte es werden, wenn unspektakuläre Spiele vor leeren Zuschauerrängen ausgetragen werden.
Südafrika besitzt technisch gesehen beste Voraussetzungen für die WM, aber der größte Rivale ist Marokko, denn im reichen Königtum fließen noch höhere Summen für den Wettbewerb. Marokko bewirbt sich zum vierten Mal und besitzt starke Unterstützung von Frankreich und Spanien. Bundeskanzler Gerhard Schröder versprach Stimmen für Südafrika bei seinem letzten Besuch Anfang des Jahres. „Deutschland wird die Spiele 2006 mit hervorragender technischer Qualität und Effizienz austragen“, meinte Jordaan, der sich besonders Unterstützung aus Asien erhofft, um 13 der 24 abzugebenden Stimmen einzuheimsen. Aber in Südafrika werde eine neue Dimension in die Weltmeisterschaft hineingebracht: Die Leidenschaft. „Die Begeisterung und Bestätigung nach dem Motto: Wir können es auch“, so Jordaan. Südafrikaner mögen es nicht, wenn ihnen die Welt nichts zutraut. Und sie fühlen, sie sind jetzt endlich dran.
Südafrika hat Musikkonzerte und Feste für Samstag geplant, Fans warten nur auf die Gelegenheit, in Jubel auszubrechen. Danny Jordaan ist in den letzten Wochen und Monaten in vielen Ländern gewesen, um Pro-Südafrika-Stimmen zu sichern. Und Erzbischof Desmond Tutu versprach den Fifa-Komiteemitgliedern ein „freies Ticket in den Himmel“. Niemand in Südafrika will sich auch nur vorstellen, was passiert, sollte der Traum erneut platzen.
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