heute in bremen
: „Er war kein Gewerkschaftsfeind“

Vortrag über Johann Knief zum 90. Jahrestag der Bremer Räterepublik

taz: Herr Engel, was hat den Lehrer Johann Knief bewogen, sich politisch zu engagieren?

Gerhard Engel, Prof. em. an der Humboldt-Uni, Berlin: Er war zunächst in der Bremer Schulreformbewegung aktiv. Sie setzte sich für eine demokratisierte und säkularisierte Einheitsschule ein und gewann rasch überregionale Bedeutung. Knief engagierte sich in der SPD, geriet aber in Konflikt mit seinem Status als Beamter. Politische Aktivitäten waren ihm untersagt. Er quittierte den Dienst und kam damit dem Rauswurf zuvor. Er war davon überzeugt, als Lehrer nur „unbedeutende Heeresdienste“ leisten zu können. Nach seinem beruflichen Ausscheiden arbeitete als Journalist.

Knief machte die Gewerkschaften für die Ausbeutung der Arbeiter mitverantwortlich. Ist sein Erbe für den DGB nicht problematisch?

Er war ein sehr impulsiver Mensch, nervös und grüblerisch. Daher finden sich solche Zitate. Seine Kritik zielte aber primär auf die Gewerkschaftsführer, von denen er enttäuscht war. Besonders die Burgfriedenspolitik bestätigte ihn in seinem Zorn. Wie alle Bremer Linken war er geprägt vom Werft-Streik 1913, bei dem die Gewerkschaftsfunktionäre die Arbeiter im Stich gelassen hatten. Knief wird in der Literatur häufig als Feind der Gewerkschaften hingestellt – das verkennt aber seine konzeptionellen Überlegungen.

Kommunisten und Sozialdemokratie berufen sich heute gleichermaßen auf Knief. Wer hat dazu das Recht?

Klar ist nur, wofür er sich nicht eignet. Knief, der schon 1919 verstarb, hätte mit Lenins Partei neuen Typs sicher nichts anfangen können. Er favorisierte basisdemokratisch-föderalistische Organisationsformen. Für einen politischen Kader war er zu sehr Schöngeist.

Wofür steht Knief heute?

Die bürgerlich-parlamentarische Demokratie bedeutet nicht das Ende der Geschichte. Knief regt an, nach Alternativen zu suchen. INTERVIEW: STH

Vortrag um 18:00 Uhr im DGB Haus