h.g. hollein Flickstunde

Die Frau, mit der ich lebe, stopft keine Socken. Nicht dass sie das nicht wollte. Angeblich jedenfalls. Aber – führt sie als Grund für ihre Verweigerung an – es ermangelt ihr zur Ausführung dieser Tätigkeit nun mal leider an einem Stopfpilz. Das ist ein faustgroßes Teil, welches in einen Socken gestopft wird, um die zu flickende Fläche zu spannen. Und ohne das – weiß die Gefährtin noch aus ihrem Handarbeitsunterricht – geht sockenstopfmäßig gar nichts. Meinen Hinweis, dass es in Form und Ausmaß doch durchaus ähnlich dimensionierte Gegenstände gebe – ich dachte da etwa an einen Tennisball – wies die Gefährtin entschieden zurück: „Was verstehst denn du schon davon?“ Möglicherweise tatsächlich nicht allzu viel, pflegt die Gefährtin mir doch stets Nadel und Faden aus der Hand zu reißen, wenn ich es unternehme, einen losen Knopf wieder anzunähen. „Das Elend kann man ja nicht mit ansehen“, heißt es dann. So was ist demütigend. Einerseits. Andererseits hat man natürlich die Arbeit vom Hals. In diesem Sinne ging ich auf allen möglichen Flohmärkten wachen Auges auf die Pirsch nach einem Exemplar besagten Stopfpilzes. Und in der Tat habe ich am vergangenen Sonntag ein derartiges hölzernes Objekt aufgetan. Ein wenig schrundig und verknorzt zwar, aber doch unverkennbar fliegenpilzig in Farbe und Gestalt. Damit – samt einem sichtlich stopfbedürftigen Socken – trat ich nun triumphierend vor die Gefährtin. Allein, was mir entgegengehalten wurde, war ein erhobener rechter Mittelfinger, begleitet von dem ungehaltenen Bescheid: „Kein Fingerhut? So kann ich nicht arbeiten.“