Polens Premier fällt im ersten Anlauf durch

Exfinanzminister Marek Belka verfehlt bei der Vertrauensabstimmung im Parlament die notwendige Mehrheit. Dennoch ist Staatspräsident Alexander Kwaśniewski fest entschlossen, an seinem Wunschkandidaten festzuhalten

WARSCHAU taz ■ Nur drei Abgeordnete im polnischen Sejm wollten ein paar Zloty auf den Sieg von Marek Belka setzen. Der vor zwei Wochen vereidigte neue Ministerpräsident Polens schien die Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus schon verloren zu haben, bevor sie überhaupt anfing. Tatsächlich stimmten am späten Freitagabend nur 188 Abgeordnete für Belka. 262 waren gegen ihn.

Beunruhigend fand das allerdings kaum jemand in Polen. Im Radio hatte Präsident Aleksander Kwaśniewski vor der Abstimmung noch einmal erklärt, dass auch ein negatives Ergebnis für seinen Favoriten zunächst nichts ändern würde: Belka und seine Regierung blieben so lange im Amt, bis ein neuer Ministerpräsident gefunden sei, der die Mehrheit des Sejms hinter sich habe.

Dass Kwaśniewskis Favorit Belka spätestens beim dritten Wahlgang gewinnen wird, ist Konsens. Beim dritten Mal reicht eine einfache Mehrheit. Zu den Anhängern der Belka-Regierung werden zudem die Gegner vor Neuwahlen stoßen, die jetzt noch gegen ihn gestimmt haben.

Marek Belka, der 52-jährige ehemalige Finanzminister, gab sich zwar alle Mühe, die zerstrittenen Abgeordneten auf seine Seite zu ziehen, doch große Illusionen über die Interessenlagen der einzelnen Parteien machte er sich nicht. In seinem Regierungsexposé vom Freitagmorgen sprach er von einem „Arbeitsprogramm für ein Jahr“ und einem „Vertrag auf Zeit“.

Absoluten Vorrang, so Belka, habe die Sanierung der Staatsfinanzen und der Abschluss des nächsten Haushalts. Wenn er dies nicht tue, müsse die nächste Regierung den Haushalt in Ordnung bringen, und dann seien noch schmerzhaftere Einsparungen als jetzt notwendig. Zu den Hauptzielen seiner Regierung gehöre die Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit.

Die sich ausbreitende Korruption müsse durch mehr Kontrolle verringert werden. Durch den EU-Beitritt Polens werde ein gewaltiger Geldstrom nach Polen fließen. Mit den knapp acht Milliarden Euro aus Brüssel und dem eigenen Geld aus den Banken wolle die Regierung die richtigen Impulse für einen langfristigen Wirtschaftsaufschwung setzen. Einer der wichtigsten „Rohstoffe“ Polens seien junge, gut ausgebildete Spezialisten. Die Regierung werde daher viel in Bildung investieren und auch ein spezielles Stipendiensystem für arme Familien sowie für Behinderte auflegen. In der Landwirtschaft wolle die Regierung die EU-Mittel nutzen, um endlich einen Strukturwandel herbeizuführen, der die Konkurrenzfähigkeit der polnischen Produkte EU-weit verbessere.

In der Außenpolitik sprach sich Belka für die EU-Verfassung aus, auch wenn Außenminister Włodzimierz Cimoszewicz einen Tag zuvor versichert hatte, dass er keinem der vorgelegten Kompromissvorschläge zustimmen könne und Polen also die EU-Verfassung weiter blockiert. Im Irak, so Belka, werde Polen seinen Verpflichtungen gegenüber den USA nachkommen, sich aber dafür einsetzen, dass es ein UNO-Mandat gebe und die Nato möglichst bald das Kommando übernehme. „Ich möchte unsere Mission im Irak mit Ehre beenden und unsere Soldaten gesund zurückholen.“ GABRIELE LESSER