„Wir graben uns selbst das Wasser ab“

Zweiter Arbeitsmarkt: Die Bremer Beschäftigungsträger versuchen, mit dem Chaos um die BSHG-19-Maßnahmen für arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger umzugehen. Einer deutet es gar um – als Gelegenheit, mehr Beschäftigung für weniger Geld zu schaffen

taz ■ Dumm gelaufen oder Absicht? Bei der Bewilligung von Jobs für Sozialhilfeempfänger, den so genannten BSHG-19-Stellen, ist einiges durcheinander gegangen (siehe Kasten). Die Folge: Im zweiten Halbjahr werden wesentlich weniger Stellen als geplant bewilligt. Projekte wie Beschäftigungsträger, die fest mit diesen Kräften gerechnet haben, kommen in Bedrängnis. Doch statt zu jammern, lasse sich die Sache auch positiv sehen – findet Uwe Lange, Geschäftsführer des Trägers BRAS und Vorstandsmitglied des Verbands Bremer Beschäftigungsträger (VBB).

taz: Geld verplant, Stellen weg – wie geht es jetzt weiter?

Uwe Lange: Wenn sich die Entwicklung so fortsetzt wie bisher, wird öffentlich geförderte Beschäftigung kontinuierlich weiter abgebaut werden. ABM und SAM sind schon halbiert, werden nächstes Jahr weiter runtergefahren. Bei BSHG 19 wird der heimliche Sinn wegfallen, dass Leute aus Sozialhilfe in das System Arbeitsamt transferiert werden, ohne sie wirklich zu vermitteln. Unter diesen Bedingungen gibt es für die Form, in der wir jetzt Beschäftigungsmaßnahmen organisieren, keine Zukunft. Durch die unerwartete Verknappung von BSHG 19 tritt diese Problematik schon jetzt in den Vordergrund. Wir können angesichts des großen Runs auf diese Stellen jetzt überlegen, wie wir trotz der eingeschränkten Mittel mehr Maßnahmen planen können.

Wie soll das denn gehen, das Geld ist doch verplant und weitere Mittel werden wohl kaum bereitgestellt?

Zum Beispiel mit der Mehraufwandsvariante: Die TeilnehmerInnen bekommen weiter ihre Sozialhilfe, dazu einen Euro pro Stunde mehr. Auf diese Weise werden die Maßnahmen wesentlich billiger und damit ausbaufähig. Dann würde auch endlich Schluss sein mit der Lüge, dass das oberste Ziel die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt sei. Das ist für unqualifizierte Langzeitarbeitslose bis auf weiteres unrealistisch.

Der Verband Bremer Beschäftigungsträger fordert ja erst mal ganz schlicht die Einhaltung zugesagter Abmachungen.

Ja, natürlich. Es ist schon absurd, dass uns trotz anders lautender Vereinbarung etwa knapp 200 TeilnehmerInnen zum Jahresende fehlen werden. Aber wir denken auch weiter. Diese Forderung ließe sich nämlich noch in diesem Jahr erfüllen, wenn Menschen bereit sind, mit der Mehraufwandsvariante zu arbeiten – das untersuchen wir gerade. Damit wäre eine Möglichkeit erprobt, wie sich mehr gemeinnützige Arbeit zum Wohl der Stadt Bremen auch unter Hartz-Bedingungen ausbauen ließe.

Klingt, als sähen Sie das Geschehen in der bag (Anm. d. Red.: siehe Kasten) und das Chaos um die BSHG-19-Stellen fast positiv.

Das kann man durchaus so sehen. Wir können in dem halben Jahr, das jetzt kommt, neue Erfahrungen machen und mit sehr viel weniger Geld die gleiche Anzahl von Maßnahmen organisieren. Dann können wir viel besser in die kommenden Debatten einsteigen. Wenn wir einfach so verharren, haben wir keine guten Chancen – das zeigt die Realität. Die aktuelle Situation bietet eine Perspektive für positives Denken in die Zukunft. Wenn man sich selber aufgibt oder immer über diese Sparmaßnahmen jammert, kann man Politikerinnen und Politiker schlecht überzeugen, welche Beschäftigungsmaßnahmen wirklich sinnvoll sind.

Was sagen denn die Kollegen von anderen Beschäftigungsträgern zu dieser optimistischen Interpretation?

Zum Teil sehen sie es ähnlich. Womit ich mich überhaupt nicht durchsetzen konnte, ist die BRAS-Idee, die Lohntüte überhaupt anzugehen: Man könnte viel mehr Maßnahmen machen, wenn man die Lohnhöhe senkt. Ich gucke da auf Hamburg: Dort wurde im April unter CDU/FDP/Schill die Lohnhöhe um ein Drittel auf 1.020 Euro monatlich gesenkt. Eine solche Absenkung wäre aus unserer Sicht deshalb so wichtig, weil die bisherige Lohnhöhe einfach zu hoch ist. Die Arbeit der Leute, die wir beschäftigen – es geht da um Hilfstätigkeiten –, ist am Arbeitsmarkt nicht so viel wert, wie wir bezahlen. Das bestätigt der neue Verdi-Tarifvertrag für Leiharbeit und Personal Service Agenturen: Der ist wesentlich niedriger als unsere Einstufung. Daran lässt sich meiner Meinung nach eines gut erkennen: Wir graben uns selbst das Wasser ab.

Interview: Susanne Gieffers