DEUTSCHES VÖLKERSTRAFGESETZBUCH: DER INLANDSBEZUG MUSS WEG
: Weltrecht mit Einschränkung

Heute vor einem Jahr ist das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) in Kraft getreten. Das Datum markiert den wichtigsten Fortschritt im Kampf gegen die Straflosigkeit schwerster Verbrechen weltweit. Gleichzeitig, aber weit weniger beachtet, trat in Deutschland das so genannte Völkerstrafgesetzbuch in Kraft. Die rot-grüne Bundesregierung war zu Recht stolz darauf, auch hierzulande die Verbrechen zu verfolgen, die international geahndet werden, und mit dem effektiven deutschen Justizsystem den IStGH zu entlasten. Gleich der erste Paragraf des neuen Gesetzes bestätigt das „Weltrechtsprinzip“, nach dem die deutsche Justiz in solchen Straftatbeständen auch dann ermitteln kann, wenn sie keinen direkten Bezug zum Inland aufweisen.

Der Haken: Deutschland will gar nicht wirklich zuständig sein. Kein einziges Verfahren ist in den zwölf Monaten anhängig gemacht worden. Große Aktivität der Ermittlungsbehörden, um von sich aus schreckliche Verbrechen vor den Kadi zu bringen, sind nicht zu beobachten – zwischen Generalbundesanwalt Nehm und dem spanischen Pinochet-Ermittler Garzón liegen Welten. Eine kleine Änderung der Strafprozessordnung hat durch die Hintertür den so genannten Inlandsbezug wieder eingeführt, der durch das Völkerstrafgesetzbuch gerade verbannt worden war. Als Belgien von der US-Regierung unter Druck gesetzt wurde, das Gesetz zu entschärfen, verhielt sich die Bundesregierung gänzlich indifferent.

Zu behaupten, irgendwo auf der Welt begangene Schwerstverbrechen zu verfolgen, ohne dass davon jemand erfährt, ist Alibipolitik. Will die Bundesregierung ihren Anspruch ernst nehmen, weltweit den Opfern schwerster Menschenrechtsverletzungen die Möglichkeit strafrechtlicher Aufarbeitung zu verschaffen, dann muss sie mehr tun. Sie muss Belgien zur Seite springen, den „Inlandsbezug“ aus den Kriterien streichen und verantwortungsvoll wohlwollend statt pauschal abweisend an jene Fälle herangehen, die der deutschen Justiz zur Bearbeitung vorgebracht werden. Erst darauf könnte man dann wirklich stolz sein. BERND PICKERT