Iraks Ratspräsident getötet

Issedin Salim wird Opfer von Selbstmordattentat in Bagdad. Eine unbekannte arabische Widerstandsgruppe bekennt sich. Spekulationen über baldigen Rückzug britischer Truppen

LONDON/BAGDAD rtr/afp/ap ■ Knapp sechs Wochen vor dem geplanten Machttransfer in Irak ist gestern der Vorsitzende des irakischen Übergangsrats, Issedin Salim, bei einem Selbstmordanschlag in Bagdad getötet worden. Insgesamt starben nach Angaben der Koalitionsstreitkräfte bei dem Attentat vor der Einfahrt zum US-Hauptquartier und dem Regierungsrat zehn Menschen. Zu dem Anschlag bekannte sich eine bisher unbekannte Gruppe, die sich als „Arabische Widerstandsbewegung“ bezeichnete. Ihre Notiz erschien auf einer Website, die sich irakischen Themen widmet.

Der Sondergesandte der Vereinten Nationen für den Irak, Lakhdar Brahimi, hat den Selbstmordanschlag scharf verurteilt. In einer gestern in Bagdad verbreiteten Erklärung Brahimis hieß es, Salim sei „einer der loyalsten und patriotischsten Bürger des Irak“ gewesen, „ein Mann, der für sein Land große Opfer gebracht hat und sich ernsthaft und selbstlos dafür eingesetzt hat, dass der Irak seine Souveränität und Stärke zurückgewinnt“.

US-Militärsprecher Mark Kimmitt machte „terroristische Gruppen innerhalb Iraks“ für den Anschlag verantwortlich. An dem Fahrplan für den Machttransfer zum 30. Juni werde aber weiterhin festgehalten. Auch der britische Außenminister Jack Straw betonte, der irakische Rat und die US-geführte Koalition seien entschlossen, an ihren Plänen für den Machttransfer festzuhalten.

Die britische Regierung hat gestern angekündigt, die Ausbildung der irakischen Sicherheitskräfte zu beschleunigen, um ihre Truppen möglichst rasch aus dem Irak abziehen zu können. „Unsere Strategie ist es, den Irakern zu ermöglichen, so schnell wie möglich die Kontrolle zu übernehmen, damit wir so rasch, wie es machbar ist, abziehen können“, sagte eine Sprecherin Blairs in London. Bislang war die Haltung der Regierung, die Truppen würden „so lange wie erforderlich“ im Irak bleiben.

Auf seiner Reise in die Türkei dämpfte Premierminister Tony Blair allerdings die Hoffnung auf einen baldigen Abzug. Die Truppen blieben im Irak, bis dort die Stabilität wieder hergestellt sei, sagte Blair am Montag in Ankara, wo er sich zu einem eintägigen Besuch aufhielt.

Die Londoner Times berichtete gestern dagegen, dass sich die USA und Großbritannien auf eine Beschleunigung ihrer Rückzugspläne aus dem Irak geeinigt hätten. Die irakischen Streitkräfte, Polizei, Zivilverteidigung und Nachrichtendienste sollten so bald wie möglich nach der für den 1. Juli geplanten Machtübergabe an eine Übergangsregierung die Verantwortung für die Sicherheit übernehmen. WG

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