Mecklenburger kritisieren Kirchenfusion

Notruf in der Kirchenzeitung: Die Mehrheit der Kirchenmitglieder sei gegen die geplante Nordkirche, glaubt ein pensionierter Pfarrer aus Warin. Er erkennt auch inhaltliche Differenzen – etwa beim Thema Homoehe

„Es gehört sehr viel Mut dazu, sich ganz auf den anderen einzulassen“

Die geplante Fusion der evangelisch-lutherischen Landeskirchen in Norddeutschland stößt in Mecklenburg auf Widerstand. Ein „Güstrower Kreis für den Erhalt der Landeskirche Mecklenburgs“ hat der Kirchenzeitung einen Brief beigelegt, in dem eine Urabstimmung über den 2012 geplanten Zusammenschluss der Landeskirchen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gefordert wird. „Die Mehrheit unserer Gemeindeglieder will keine Fusion“, sagt Traugott Maercker, Pastor im Ruhestand und Mitunterzeichner des Briefs. Die Synode – das Kirchenparlament – sei nicht legitimiert, so eine weit reichende Entscheidung zu treffen.

Bei der Fusion kommen eine Menge Probleme zusammen: Zum ersten Mal würden Landeskirchen aus Ost- und Westdeutschland vereinigt. Die Mitgliederzahlen und damit die Budgets differieren gewaltig. Es müssen jahrhundertealte Traditionen aufgegeben und unterschiedliche politisch-theologische Positionen unter einen Hut gebracht werden.

Für die Fusion gibt es ein Vorbild: Die fünf ehemaligen Kirchen auf dem Gebiet der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein bilden seit 1977 eine gemeinsame „nordelbische“ Landeskirche. Mit 2,1 Millionen Mitgliedern ist sie zehnmal so groß wie die mecklenburgische Landeskirche mit ihren 220.000 Mitgliedern, von der der pommerschen mit rund 100.000 ganz zu schweigen.

Die Landeskirchen Mecklenburg und Pommern haben schon einmal über ein Verschmelzen verhandelt. Für das Projekt fanden sich aber keine stabilen Mehrheiten. Noch vor zwei Jahren diskutierte die pommersche Kirche darüber, ob es sinnvoll sei, stattdessen mit der Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz zu fusionieren. Schließlich entstand die Idee zu einer Nordkirche. „Manchmal sind Verhandlungen zu dritt leichter als zu zweit“, sagt der mecklenburgische Kirchenrat Matthias De Boor.

Die Gespräche sind weit fortgeschritten. Die Synoden haben sich auf Lübeck als Sitz des Kirchenamtes geeinigt. Die Entscheidung über den Fusionsvertrag wurde vom September 2008 auf März 2009 verschoben. Zwei Drittel der vereinten Synodalen müssen zustimmen.

„Jetzt ist die Zeit, wo alles noch mal in Frage gestellt wird“, sagt De Boor mit Blick auf die Verschiebung. Für den 24. Januar habe Mecklenburgs Bischof Andreas von Maltzahn die Kritiker eingeladen, um ihre Bedenken zu besprechen.

Pfarrer Maercker weiß so gut wie De Boor, dass die Kirchenverfassung keine Urabstimmungen vorsieht. Trotzdem findet er, dass die Synode in diesem Fall ein besonderes Mandat braucht. „So eine weit reichende Entscheidung, die unsere Landeskirche liquidiert, ist auch nicht vorgesehen“, sagt er. Die Landeskirche sei schließlich 450 Jahre alt. „Wir würden der zwölfte Kirchenkreis Nordelbiens werden“, befürchtet Maercker.

Der Pastor findet eine Nordkirche zu groß. Sie widerspräche dem Geist der Kirche, in der es auf persönliche Kommunikation ankomme. Dass eine Fusion die Kosten drücke, sei keineswegs gesagt. Auch seien ehemalige DDR-Christen anders sozialisiert als ihre Glaubensbrüder und -schwestern in der Ex-BRD.

Das habe Folgen für die Einstellung der Kirchenmitglieder, zum Beispiel zur Ehe gleichgeschlechtlicher Paare. Schon der Begriff „Homoehe“ sei daneben, findet der pensionierte Pfarrer. „Das kann man nicht mit einer Ehe vergleichen“. Die evangelische Kirche Nordelbiens ist ziemlich fortschrittlich: Mit Maria Jepsen wählte sie 1992 die weltweit erste lutherische Bischöfin. Jepsen hält die Homoehe nicht für schädlich.

Kirchenrat De Boor findet, dass der Zusammenschluss von Kirchen aus der ehemaligen beiden deutschen Staaten eine Chance biete, die Fehler, die bei der politischen Vereinigung vor 20 Jahren gemacht worden seien, zu vermeiden. „Es gehört sehr viel Mut dazu, sich ganz auf den anderen einzulassen, obwohl wir so verschieden geworden sind“, sagt er. Andererseits profitiere die Landeskirche schon lange von der Wanderung zwischen Ost und West.

Finanziell sei Mecklenburg kurzfristig nicht auf eine Fusion angewiesen, sagt der Kirchenrat. „Wir können uns das richtig frei überlegen.“ Allerdings seien die Probleme der Zukunft, etwa der demografische Wandel, in einer größeren Kirche leichter zu bewältigen. Nach der Fusion müssten die Westgemeinden vier bis fünf Prozent ihrer Einnahmen an die mitgliederschwachen Ostgemeinden abtreten, die genauso viele Kirchengebäude hätten wie Nordelbien. Die Verwaltung soll um 15 bis 20 Prozent kleiner werden. GERNOT KNÖDLER