Kulturgutpflege statt seelenloser Erneuerung

Die Fachhochschule Köln bietet seit 18 Jahren den Studiengang „Restaurierung“ mit einer einmaligen Breite an. Viele wollen studieren, doch nur jeder Vierte wird angenommen. Dabei sind die Aussichten auf einen festen Job schlecht

KÖLN taz ■ „Mein Herz fing regelrecht an zu bluten, als ich zum ersten Mal erleben musste, wie mein Vater einer alten Weichholzkommode mit einem Exzenterschleifer zu Leibe rückte. Nur wenige ohrenbetäubende Handgriffe und Sekunden später war die historisch einzigartige Bierlackoberfläche ratzekahl abgetragen.“ Melanie Dropmann träumte schon mit 16 davon, Restauratorin zu werden. Damals machte sie im elterlichen Betrieb eine Schreinerlehre. Und wusste genau: Seelenlose Erneuerung und moderne Möbelproduktion sind nichts für sie.

Stattdessen wollte sie lernen, wie man altes Kulturgut so gut wie möglich erhält. Vor drei Jahren begann die heute 28-Jährige ihr Studium an der Fachhochschule Köln. Noch zwei Semester, dann ist sie Diplomandin der Fachrichtung Objekte aus Holz/Werkstoffe der Moderne.

Während es die akademische Restauratorenausbildung im Ausland – etwa England – schon seit den 30er Jahren gibt, ist das deutsche Pendant noch nicht einmal 20 Jahre alt. 1986 bot die Fachhochschule Köln den Studiengang zum ersten Mal an. Seitdem entstanden vergleichbare Ausbildungsgänge in acht weiteren deutschen Städten. In Köln wurde von Beginn an auf breiter Basis geforscht. Als erste Fachrichtungen entstanden „Wandmalerei und Objekte aus Stein“ sowie „Gemälde und Skulptur“. Danach etablierten sich „Holzobjekte“ und „Schriftgut, Grafik und Buchmalerei“ sowie „Textilien und Objekte aus Leder“.

Melanie Dropman und Projektkollege Tobias Fischer erklären das Projekt, an dem sie gerade arbeiten: ein Holzschädigungsmonitoring in der St.-Mariä-Geburts-Kirche in Kempen am Niederrhein. Dabei fanden sie heraus, dass die gesamte Inneneinrichtung stark vom gescheckten Nagekäfer befallen ist. Ihr Vorschlag, den aggressiven Schädling mittels Thermobehandlung abzuwehren, wurde auf das Chorgestühl bereits erfolgreich angewendet.

Neben Objekten, die von Museen oder Privatsammlern zur Untersuchung und Aufarbeitung kommen, machen Vor-Ort-Projekte in Kirchen, an Museen oder Denkmälern die Hälfte des bewusst praxisnah ausgerichteten Studiums aus. So machen die Studierenden beispielsweise jedes Jahr eine zweiwöchige Exkursion nach Auschwitz, um dort die Gedenkstätte zu restaurieren. „Auch große Teile der Fresken im Kölner Dom sind von hiesigen Studierenden aufgearbeitet worden“, bestätigt Adrian Heritage, Professor für „Wandmalerei und Stein“.

Lena Reuber und Mechthild Struchtrup flicken mit Nadel und Spezialfaden einen 20 Zentimeter langen Riss in einem Ölgemälde von Adolf Dressler. „Wir sind jetzt im zweiten Semester der Fachrichtung „Gemälde und Skulptur“ und haben drei Mal die Woche Chemieunterricht. Das ist ganz schön anstrengend!“ Allerdings wussten beide vorher, dass eine künstlerisch-handwerkliche Begabung allein nicht ausreicht. „Man muss einfach mit dem Herzen dabei sein. Nur dann bekommt man überhaupt einen Studienplatz“, sagt Lena Reuber. Die 24-jährige hat schon vor dem Studium bei der Restaurierung des Turiner Doms erste Berufserfahrungen gesammelt.

Zwei Jahre Praktikum sind Voraussetzung, um zum Studium zugelassen zu werden. Dabei wird eine handwerkliche Tischler-, Zimmer- oder Steinmetzlehre, die viele Bewerber ebenfalls mitbringen, nicht angerechnet. Von den knapp 200 Bewerbern, die sich jedes Jahr um einen Studienplatz bemühen, wird nur schätzungsweise ein Viertel nach einer Aufnahmeprüfung aufgenommen.

Nach dem Studium liegen die Jobs nicht auf der Straße. Zwar gibt es jede Menge Arbeit. So schätzt Friederike Waentig, seit kurzem zusammen mit einer Kollegin Deutschlands erste Professorin für Restaurierung, dass bis zu Dreiviertel aller Kunstobjekte in deutschen Museen restauriert werden müssen. Doch die öffentlichen Kassen sind leer. Als die heute 40-jährige Waentig 1992 ihr Studium in Köln abschloss, erhielt noch fast jeder Absolvent eine Festanstellung. Heute machen sich die meisten auf dem freien Markt selbstständig: „Fast alle unserer früheren Studierenden haben zwar Aufträge, aber sie bewegen sich finanziell am Existenzminimum.“

Marika Dresselhaus

Am heutigen Mittwoch, 17-23 Uhr, zeigen die angehenden Restauratoren ihr Können. „Ich sehe was, was Du nicht siehst!“ heißt die Ausstellung im Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaften, FH Köln, Ubierring 40, Raum 31.