Tag des modernen Vaters

An der neuen Rolle als verantwortungsvoller Erzeuger nervt am meisten das Gejammer. Rettung bringt da keine fragwürdige Veranstaltung wie der heutige Vatertag – sondern nur die Minijob-Omi

VON REINER METZGER

Hach ja, Vatertag. Morgen ist es wieder so weit. Ursprünglich Christi Himmelfahrt, für die Jünger. Dann für jüngliche Männer gedacht: verheiratet, mit ein, zwei kleinen Kindern. Die mit ihren Kumpels mal wieder so richtig losziehen und sich per Leiterwagen und Bierfass die Hucke voll saufen. Hier im Osten heißt der Tag ja auch Herrentag – ist klarer erkannt, worum es geht; den Herrn demonstrieren dürfen ohne Rücksicht auf Verluste.

Und die Verluste gab es, während meiner Kindheit und Jugend auf dem fränkischen Land: Ab Mittag sahen wir Kleinen torkelnde Männer, die man im Alltag als respektable Maurer, Fußballer oder was auch sonst kannte. Auch der eine oder andere Baum an der Strecke wurde bekotzt: „Düngung, hähähä!“

Ah, das ganze Gejammer nervt einen an. Auch wenn das schwierige Leben der heutigen Papas ein Thema ist, nicht nur für sie selbst. Wir sind immerhin die Hälfte der Vorfahren jeder Generation, mal naturwissenschaftlich gesehen. Aber was ein Gewese um die Rolle des modernen Mannes: So sehr Weichei sei er, so eine Lehrmeinung, dass die Kinder sich gar nicht mehr an ihm reiben können und deshalb einen Hau wegkriegen. Ist besser als die traditionelle Methode, kann ich da nur antworten – damals hat Vaddern so lange gehauen, bis garantiert alle ihren Schlag weghatten.

Klar ist es nicht einfach für den einigermaßen modernen Mann. Bei der Arbeit ist derzeit vor allem der Ellbogen gefragt, der Verkaufshai, der Überstundenschrubber, der Exportweltmeister. Und zu Hause soll er dann gar nicht mehr aggressiv sein, aber verlässlich, Spielkumpel und Vorzeige-Ehemann. Aber was ist schon einfach im wirklichen Leben.

Wenn ich mal die taz wegrechne, wo fast alle Väter in Erziehungszeit gehen: ich kenne keinen Erziehungszeitler außer mir. Die Financial Times Deutschland porträtiert gerade 101 deutsche Wirtschaftsführer. Und mindestens 90 davon antworten auf die Frage „Was ist ihr größter Gewinn?“ mit „Meine Familie“. Weil sie die so selten sehen wie einen Lotto-Sechser, oder was? Es schmerzt doch, so einen Schmarrn lesen zu müssen.

Okay, meine Brandenburger Nachbarin meinte neulich: „Damals im Osten haben die Leute im Betrieb nicht so viel Angst gehabt, ihre Meinung zu sagen wie heute.“ Es sind mistige Zeiten für Arbeitnehmer, und nicht jeder kann ein Jahr zu Hause sitzen mit kleinen Kindern. Aber können (je nach Statistik) 97 bis 99 Prozent wirklich nicht? Und weit mehr als 80 Prozent der deutschen Männer müssen unbedingt Vollzeit arbeiten? Glaubt kein Mensch.

Eine schon eher stichhaltige Frage traut sich keiner anzuführen: Können Männer das überhaupt, ein Kind so erziehen, dass es schlau, freundlich, selbstsicher wird? Und nebenbei den Haushalt regeln?

Ich bilde mir ein: Es ist zu schaffen. Aber es kracht schon mal heftiger. Wenn der Kleine an einem Montagmorgen partout kein Unterhemd anziehen will, folgt eben der väterliche Zornausbruch nebst Brüllanfall. Dann geht es mit Heulen in den Kindergarten, aber immerhin noch rechtzeitig.

Diffiziler sind da schon die Erwartungen der Frau Mama zu händeln. Die Kritik am montäglichen Konsumrausch in Kinderklamottenabteilungen und – vor allem – Werkzeugabteilungen im Baumarkt („Den Akku-Dingsbumsschleifer brauche ich für den Baumhausbau …“) kriegt man noch witzischkeitsmäßig weggedrückt mit dem Verweis auf übliche Hausfrauenmarotten. Aber was machste mit abendlichen Sätzen wie: „Du sorgst nicht für das soziale Umfeld der Kinder?“ Gemeint sind Kaffeekränzchen mit Muttis aus dem Kindergarten, die rechtzeitige (also ein Jahr vorher) Anmeldung für Vorschul-Musikunterricht, Turnverein, Schwimmkurs – alles Sachen, die man aus Horror-Kindheitsgeschichten anderer Leute kennt.

Dabei lieben Kinder eigentlich die gute alte Vatertagswelt: ein paar geregelte Feiern (Weihnachten, Ostern, Geburtstag …) und den Rest des Jahres Routine und noch mal Routine. Und der Papa stellt an sich auch den Hang zum Traditionellen fest: In so ein Hausfrauendasein (erweitert natürlich um eine produktive handwerkliche Bastelkomponente) kann man mental reinkippen. Aber in einem Monat ist Schluss, dann arbeiten wir beide wieder. Und die Nachmittage gehören dann der Minijob-Omi: Die Dame ist über 50 und wird daher in ihrem eigentlichen Beruf als Zahnarzthelferin von den Praxen als zu alt angesehen. Jetzt holt sie unsere Kinder vom Kindergarten ab und bringt so eine zusätzliche weibliche Komponente in die Familie ein. Ist doch auch was.