Gemeinschaft durch Denim

Die „Turbojugend St. Pauli“ veranstaltet am Wochenende die ersten Weltturbojugendtage. Die ersten Fans sind schon da

von Volker Peschel

Es ist Mittwochnachmittag im Erdgeschoss-Büro der „Turbojugend St. Pauli“ am Paulinenplatz, und drei junge Männer kommen herein. Vorneweg ein großer Junge in Jeansjacke, mit einem Tuch um den Kopf und einem Flachmann in der Hand. Sein Bauch hängt famos über den Gürtel: blass, behaart und schwitzig. Er erklärt in breitem Ami-Englisch, dass er dringend schlafen müsse, da er inzwischen sieben Liter Bier getrunken habe, weil er am Umsteigeflughafen ein paar Stunden warten musste.

„Das ist die ,Turbojugend Orange‘ aus Kalifornien“, erklärt Felix, der „Assistant“ des Präsidenten der „Turbojugend St. Pauli“. Sie sind als „Mutter aller Jugenden“ die zentrale Anlaufstelle für alle Fanclubs weltweit und Veranstalter der ersten Weltturbojugendtage an diesem Wochenende in Hamburg. Über 1.000 Punkrocker werden erwartet, die der norwegischen Band Turbonegro huldigen werden. Die spielen Schweinerock, dazu kommt viel wildes Gehabe. Der Sänger Hank Van Helvete tritt meist mit Zylinder, Frack und einem Stock mit silbernen Knäufen auf. Seine Augen sind mascaraschwarz, die Bierwampe trägt er offen. Die anderen Bandmitglieder schmücken sich mit Matrosenkäppi, Stahlhelm, Ledermütze, rotem Lippenstift.

Im Büro der „Turbojugend St. Pauli“ geht es hektisch zu. Telefone klingeln, Kuriere bringen paketweise Zeugs. Es ist schwierig, in dem Trubel mit dem Chef zu sprechen, der sich El Presidente nennt. Sein Chefhandy klingelt, Hank ist dran, der Sänger der Band. Wann denn noch mal sein Flug ging, will er wissen. El Presidente sucht es ihm raus.

Die engen Büroräume, die eigentlich das Label „Bitzcore“ beheimaten, sind die Keimzelle dieses umtriebigen Turbo-Hypes, seit man dort vor einigen Jahren aus Spaß eine Jeansjacke bedruckte. Aufschrift: „Turbojugend Oslo“. Nur 20 Stück werden davon anfangs hergestellt, doch die sind heiß begehrt. Das Virus verbreitet sich, schon bald gibt es die „Turbojugend Osaka“, „Turbojugend Santiago“ oder „Turbojugend Moscow“; alle stolzieren mit eigenem Denim durch die Gegend. 543 Chapter gibt es momentan weltweit, etwa 10.000 Fans lassen sich so mobilisieren. „Du stellst dich einfach hin und sagst, ich gründe eine Turbojugend in meinem Ort.“, erklärt El Presidente: „Das meldest du uns, der Name muss noch frei sein, und dann bist du Präsident deiner Turbojugend. Über uns kannst du Jacken mit dem Ortsnamen drucken lassen. Dann suchst du dir noch deinen Warriorname aus und es geht los.“ Warriorname? Al Coholic, Holy Ghost oder P.Orno heißen etwa die Mitglieder der „Turbojugend St. Pauli“, die sich in „Freds Schlemmereck“ auf dem Hamburger Berg regelmäßig treffen: Jukebox an, Turbowimpel auf den Tisch, Pils ebenfalls, Kniffel spielen oder sonst was.

Klingt nicht gerade nach heißem Rock‘n‘Roll Lifestyle, sondern eher nach urdeutscher Vereinsmeierei, oder? „Eine Portion Selbstironie gehört dazu. Aber es geht um den Zusammenhalt. Leute veranstalten gemeinsam Dinge. Das kann hilfreich sein: Wenn du nach Austin reist und nicht weißt, wo du schlafen sollst, rufst du den Präsidenten der „Turbojugend Austin“ an: Hey, könnt ihr mich unterbringen?“

Formlose Völkerverständigung also, mit der sich auch prominente Mitglieder gerne schmücken: Ville Valo, der Sänger von HIM, Bela B. von Die Ärzte aber auch Blümchen gehören zur „Turbojugend St. Pauli“.

Der trinkfeste Fan aus Orange, Kalifornien, hatte im Übrigen zwei Karten zuviel geordert. Bezahlt seien die ohnehin, was könne man da machen? Denn eins ist klar, verkaufen, das ist für Spießer, das kann man nicht bringen. Dann der Geistesblitz: Man müsse die Karten verschenken. Und an wen? „Oh, maybe to the most handsome boy around!“

heute: Peter Pan Speedrock, Kings Of The Rodeo, ZSK, The Denim Dudis, 20 Uhr, Grünspan. Morgen: Adolescents, Therapy?, Electric Eel Shock, Silver, danach vier der Turbonegro Jungs an den Turntables, 20 Uhr, Große Freiheit