: Intensives Klinken-Putzen gegen die Umlage
Die Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet wollen mit Beschwerdebriefen und Drohungen die bevorstehende Ausbildungsumlage abwenden. Ob sie mehr Plätze schaffen, ist für sie allerdings Nebensache
RUHR taz ■ Klinken putzen und Briefe schreiben soll die drohende Ausbildungsumlage im Ruhrgebiet doch noch verhindern. „Wir sind massiv aktiv, um dieses schreckliche Monstrum zu verhindern“, sagt Heinz-Jürgen Guß von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mülheim, Essen, Oberhausen. Alle Bundestagsabgeordneten würden mit Briefen bombardiert, auch Bundeskanzler Gerhard Schröder habe schon eine Beschwerde erhalten. Und, ach ja, auch die Firmen im Kammerbezirk würden natürlich kontaktiert, um sie zu mehr Ausbildungsplätzen zu bewegen – an diesem Wochenende sei die IHK sogar auf der Jugendmesse You in Essen präsent.
Die Umlage war Anfang des Monats gegen den erbitterten Widerstand von Opposition und Wirtschaftsverbänden mit rot-grüner Mehrheit beschlossen worden. Sollte es die Wirtschaft schaffen, bis zum Herbst 15 Prozent mehr Ausbildungsplätze anzubieten als nachgefragt werden, würde die gesetzliche Ausbildungsumlage nicht eingeführt. „Wir haben fast alle Jugendlichen versorgt“, behauptet Guß. Von 9.000 BewerberInnen seien am Ende des Jahres nur 300 unversorgt geblieben. Insgesamt seien zwei bis drei Prozent mehr Azubis eingestellt worden.
Der DGB widerspricht diesen positiven Zahlen. „Tatsächlich wurden in diesem Jahr 148 Stellen weniger angeboten“, sagt Regionsvorsitzender Eckart Löser. Die Zahl der neu angemeldeten arbeitslosen Jugendlichen sei um dramatische 47,8 Prozent angestiegen. „Nichts, aber auch gar nichts hat die Forderung nach einer Ausbildungsumlage entkräftet“, sagt Löser.
Das sehen die UnternehmerInnen in Dortmund, Hamm und Unna anders, behauptet der Sprecher der dortigen IHK Jan Immil. „Wir strengen uns doch sowieso schon an.“ Hapern würde es aber vor allem bei den Jugendlichen. „Sie können sich nicht sprachlich ausdrücken, nicht konzentrieren, sind unpünktlich.“ Und sobald es dreckig würde wie in den Metallberufen, seien sie auf der Flucht. Trotzdem, wiederholt er, sei seine Kammer schwer aktiv. Ehrenamtliche gingen in die Betriebe, sie würden Firmen anschreiben, Anzeigen schalten. Das sei aber schon vor der drohenden Umlage so gewesen. „Wir sind keine Getriebenen.“ Nur jetzt seien die MitarbeiterInnen noch motivierter.
Die IHK Bochum ist offensiver. Sie will in diesem September mehr Ausbildungsplätze als BewerberInnen haben. Doch das könnte schwierig werden: In diesem Mai fehlen rund 1.200 Ausbildungsplätze, auf 1.279 Stellen haben sich 2.593 Jugendliche beworben. Mit Aktionen sollen die leer Ausgegangenen versorgt werden. Präsident Gerd Pieper findet diese Zahl aber für diesen Zeitpunkt „ganz normal“. Er kündigte an, neue Ausbildungsbörsen- und atlanten zu schaffen. Außerdem sollen auch in Bochum, Herne und Hattingen Firmen in die Pflicht genommen werden. „Wir putzen intensiv Klinken“, sagt Pieper. Sollte die Ausbildungsumlage trotzdem kommen, kündigt er drastische Konsequenzen an: „Wir steigen dann aus dem Ausbildungskonsens NRW aus.“
ANNIKA JOERES
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