Lange geplanter Castor rollt seit gestern

Wise-Studie: Bis zu 40 Tonnen Plutonium werden jährlich in Atomschrottbehältern durch Frankreich transportiert

BERLIN taz ■ Offensichtlich war das so nicht geplant: Eigentlich sollte schon vor Wochen ein Castortransport in die Wiederaufbereitungsanlage Le Hague rollen. „Nach unseren Informationen wurde der zuerst wegen des Gipfels in Evian verschoben, dann war Eisenbahnerstreik in Frankreich“, sagt Susanne Ochse von Greenpaece.

Deshalb wird seit gestern ein Zug mit bis zu 16 Castoren zusammengestellt: Je drei starteten am Morgen aus den AKWs Isar, Neckarwestheim und Philippsburg, weitere aus den AKWs Unterweser, Stade und Grunde sollten im Laufe des Tages auf Reisen gehen. Einige der Atomschrottwaggons sind für die Wiederaufbereitungsanlage Sellafield bestimmt.

Nach einer Studie des World Information Service on Energy (Wise) in Paris rollen pro Jahr 450 Ladungen der Atomschrottfracht durch Frankreich, die insgesamt 40 Tonnen Plutonium enthalten. Zum Vergleich: „Fat Man“, die erste Plutonium-Bombe, die Nagasaki am 9. Mai 1945 zerstörte, enthielt weniger als 10 Kilo Plutonium. Die Hiroshima-Bombe nutzte Uran als Gundsubstanz. Heutige Plutoniumbomben benötigen gerade noch die Hälfte des Rohstoffs, also fünf Kilogramm. Auch wenn nicht jedes Plutonium waffenfähig ist – zugespitzt rollen jährlich 8.000 Atombomben durch Frankreich.

Nach der Wise-Studie legen sie eine Strecke von 250.000 Kilometer zurück. Mehr als die Hälfte dieser Ladungen gehen nach oder kommen von La Hague, nur die Hälfte stammt aus Frankreich selbst.

Hartwig Berger, Sprecher der Bündnisgrünen Bundesarbeitsgruppe Energie beurteilt das so: „Die Wiederaufarbeitungstechnik verwandelt Frankreich zur nuklearen Geisterbahn Europas.“

Wise hat die Folgen schwerwiegender Unfälle errechnet: Ein Zusammenstoß mit anderen Zügen setzt Radioaktivität in Mengen frei, die für Menschen noch zulässige Jahresdosen um das 100fache übertreffen. Ein Lastwagenunfall, durch den Plutonium freigesetzt wird, kann innerhalb einer bewohnten Gegend trotz Evakuierung Dutzende an tödlich verlaufenden Krebsfällen bewirken. Ein terroristischer Angriff auf nur einen Transport würde ein Gebiet von mindestens 250 Quadratkilometern dauerhaft verstrahlen.

Das französische Atomausstiegs-Netzwerk Réseau Sortir du Nucléaire will heute gemeinsam mit deutschen Aktivisten sowohl den Bahnübergang nach Frankreich bei Metz-Peltre blockieren, als auch auf dem Metzer Bahnhof demonstrieren. NICK REIMER