In 25 Tagen mit dem Rad durch halb Europa

Vier Männer beginnen heute in Erftstadt ihre Tour nach Weißrussland. Mit der Aktion will der Verein „Hilfe für Tschernobyl-geschädigte Kinder“ auf die Lage der Menschen in Tschernobyl und Umgebung aufmerksam machen

KÖLN taz ■ Auf eine über 2.000 Kilometer lange Fahrradtour von Erftstadt bis nach Weißrussland starten heute vier Männer, und das für einen guten Zweck: Sie möchten mit ihrer Aktion auf die Menschen aufmerksam machen, die in den seit dem Reaktorunglück von Tschernobyl 1986 verstrahlten Gebieten leben. Ihre erste Pause machen sie auf ihrer 25-tägigen Tour heute um 12 Uhr vor dem Kölner Rathaus, wo sie von Bürgermeister Josef Müller begrüßt werden.

Die Fahrradgruppe besteht aus zwei Erfstädtern und zwei Weißrussen. Aus Erftstadt gehen der 63-jährige Hans Gregor und der 68-jährige Willy Frohn an den Start, aus dem Zielort Mogilev in Weißrussland Shenia Serjoschkin (57) und das 47-jährige „Nesthäkchen“ der Gruppe, Viktor Klotschow. Getragen wird die ungewöhnliche Publicity-Aktion vom Erftstädter Verein „Hilfe für Tschernobyl-geschädigte Kinder“, den der Erftstädter Arthur Schulz nach dem Super-GAU in Tschernobyl ins Leben gerufen hat. Schulz hatte zuvor zehn Jahre in Weißrussland gelebt. „Ich wollte meine Freunde nicht einfach im Stich lassen“, beschreibt er seine Motivation.

So begann er mit anderen Erftstädtern, den dort lebenden Menschen zu helfen. Der Unfall habe 70 Prozent Weißrusslands verstrahlt, und noch heute sei dort die Strahlenbelastung bis zu 15 Mal höher als die erlaubten Grenzwerte, sagt Willy Frohn. „Bis heute wird nur jedes fünfte Kind in diesem Gebiet gesund geboren.“

23 Hilfstransporte des Vereins hätten inzwischen ihren Weg dorthin gefunden, erzählt Frohn. Außerdem habe man 450 Kindern einen Ferienaufenthalt in Deutschland ermöglicht. „Die sollten Sie mal sehen, wenn sie vier Wochen sauberes Wasser, Luft und Essen hatten. Die brauchen danach zwei Jahre keinen Arzt mehr.“ Daneben vermittelt der Verein auch Patenschaften für Kinder, spendet wichtige Krankenhausgeräte, ermöglicht weißrussischen Ärzten eine Hospitanz in deutschen Krankenhäusern und herzkranken Kindern Operationen in Polen oder Deutschland – wie aktuell im Falle eines zwei Jahre alten Waisenmädchens, das mit Unterstützung des Vereins demnächst in Polen operiert werden soll.

Mit ihrer Radtour wollen sie vor allem eines: Öffentlichkeit schaffen. „Da gibt‘s kein Öl, keine Bodenschätze, also interessiert es keinen Menschen, was dort passiert, es wird offiziell totgeschwiegen“, erregt sich Frohn. Natürlich suche man auch Sponsoren, um die Unterstützung aufrecht erhalten zu können. Doch es gibt noch einen weiteren Grund für die Gewalttour. Lachend meint der rüstige 68-Jährige: „Es macht natürlich auch Spaß. Das wird ein riesiges Abenteuer.“ SONJA GÜNDÜZ

www.tschernobyl-hilfe-erftstadt.de