nebensachen aus rom
: Die Teutonen und der verflixte Gebrauch von „si“ und „no“ im Italienischen

Eine einigermaßen unangenehme Erfahrung macht so gut wie jeder Deutsche, dessen Italienliebe über Pizza, Pasta, Espresso und Versace hinausgeht: Es reicht absolut nicht, Italienisch zu können, um die Italiener zu verstehen. Nein, hier soll nicht die Rede sein vom in vielen Landesecken noch gern gepflegten Dialekt oder vom angeblich unnötig überhöhten Sprechtempo der angeblich dabei wild gestikulierenden Stiefelbewohner. Die Missverständnisse beginnen viel früher: beim korrekten Gebrauch von „si“ und „no“.

Deutsche sind da ziemlich unsensibel: Sie sagen einfach nein, wenn sie was nicht wollen – und meinen, die andren hielten es genauso. Dabei ist das Verhältnis der Italiener zum No weit komplizierter. Beispiel Bar. Zwei Freunde haben sich gerade einen Kaffee gegönnt, der erste sagt: „Das zahle ich“. Da lautet die einzig korrekte Antwort: „Kommt überhaupt nicht in Frage“, und dann geht das Gezerre los. Der gute Ton verlangt, rund dreimal die Einladung abzulehnen, ehe man sich dann doch dem Diktat des Freundes beugt, nicht ohne zu versichern: „Beim nächsten Mal bin ich aber an der Reihe.“

Deutsche dagegen? Die nehmen das Nein glatt für bare Münze, lassen dem anderen kampflos seinen angeblichen Willen zum Selberzahlen – und stehen als Stoffel da. Nicht nur beim Geld gilt die goldene Regel, dass „No“ meistens mit Ja zu übersetzen ist.

Zum Beispiel abends, vor der Uni in Rom. Höflich fragt der deutsche Erasmus-Student seine italienischen Kollegen: „Kann ich euch ein Stück mit dem Auto mitnehmen?“ Und kriegt als Antwort: „Aber nein, kein Problem, wir nehmen die U-Bahn.“ Hätte er genau hingehört, dann wäre ihm schon aufgefallen, dass das „ma nooo“ nicht sehr entschieden klang. Doch leider nickt er bloß: „Na gut, also bis morgen“, und verabschiedet sich von zwei Leuten, die er von Stund an zu seinen ehemaligen Freunden rechnen darf.

Genauso unsensibel wie mit andrer Leute Nein gehen die Deutschen dazu noch mit dem eignen Ja um: direkt und aus der Pistole geschossen trompeten sie bei jedem Angebot „si, grazie“. Das sorgt selbst dann für hochgezogene italienische Augenbrauen, wenn die Offerte von Herzen kam. Ein wenig zieren muss man sich schon, ehe man sein Si los wird, und sei es nur als Zeichen, dass man sich des hohen Opfers klar ist, das der andere da bringt.

Wirklicher Verdruss aber kommt auf, wenn der vermeintlich Großzügige auf ein – diesmal ernst gemeintes – Nein hoffte. Karl zieht um, und sein Bekannter Carlo sagt voller Leichtsinn, nicht bedenkend, dass Karl Teutone ist: „Wenn du willst, komm ich vorbei mit meinem Wagen und lade ein paar Kisten ein.“ Fairness gebietet es da einfach, Nein zu sagen – allein schon, um auszutesten, wie scharf Carlo wirklich auf die Schlepperei ist. Doch Karl? Der strahlt, nickt und sagt: „Klasse!“ Was er da angerichtet hat, wird ihm erst klar, als er Carlo sanft erröten sieht. „Äh, Karl, da fällt mir ein – Samstag habe ich den Wagen ja gar nicht.“

So mancher Italiener, manche Italienerin hat so von Deutschen unverhofft Besuch gekriegt, bloß weil er oder sie an irgendeinem Strand des Belpaese der Urlaubsbekanntschaft aus dem Norden den nicht so ernst gemeinten Antrag ausgesprochen hatte: „Dann komm doch mal vorbei bei mir in Rom/Florenz/Bologna.“

Neulich rief mich eine römische Freundin an. „Ich hab da ein Problem. Dieser Kerl da aus München, den ich in den Dolomiten getroffen hab, der stand heute morgen vor meiner Haustür. Er sagt, ich hätte ihn ja eingeladen. Was mach ich jetzt? Wo soll ich bloß hin mit ihm?“ Ich schlucke einmal tief: „Wenn du Hilfe brauchst, kann er bei mir übernachten.“ – „Nooo, das kann ich absolut nicht annehmen.“ Verflixt, wie war dieses Nein jetzt bloß gemeint? MICHAEL BRAUN