Nur Neoklassik reicht für die Wirtschaft nicht

Eine neue deutsche Bewegung von alternativen Ökonomen fordert die Reform der Wirtschaftslehre an Universitäten

BERLIN taz ■ Die Wirtschaftswissenschaft ist autistisch, sie hat den Kontakt zur Umwelt verloren. So kritisiert eine neue Bewegung aus Wirtschaftsstudenten und -forschern die gegenwärtige Wirtschaftslehre. Von Donnerstag bis gestern traf sich der deutsche Arbeitskreis „Post-Autistische Ökonomie“ zum ersten Mal in Heidelberg.

Die Ökonomen bemängeln, dass sich Lehre und Forschung fast ausschließlich auf die Neoklassik beschränkten. Danach ist der Mensch „Homo oekonomicus“, also einer, der unabhängig von sozialem Einfluss seinen individuellen Nutzen im Blick hat. Die Post-Autisten fordern, dass zum Beispiel die Verhaltensökonomie und die evolutorische Ökonomie häufiger gelehrt werden.

Gleichzeitig unterstellen sie fehlende Praxisnähe wirtschaftlicher Theorien. „Mathematische Wirtschaftsmodelle werden nicht oft genug statistisch überprüft, obwohl sie zur Lösung globaler Probleme wie Hunger herangezogen werden,“ sagt Thomas Dürmeier, Mitbegründer der post-autistischen Bewegung in Deutschland.

Sie geht zurück auf eine von französischen Studenten im Internet veröffentlichte Petition, die die Wirtschaftslehre an Universitäten kritisierte. Sie provozierte eine öffentliche Diskussion in der französischen Zeitung Le Monde, an der renommierte Ökonomen wie James Galbraith und Robert Solow teilnahmen. Daraufhin richtete Frankreichs Bildungsminister Jack Lang eine Reformkomission ein. In ihrem Schlussgutachten sprach sich die Kommission unerwartet für weit reichende Reformen des Ökonomiestudiums in Frankreich aus.

Von einer solchen öffentlichen Aufmerksamkeit können die deutschen Post-Autistischen Ökonomen nur träumen. Sie arbeiten derzeit noch an der Übersetzung der Texte ihrer Bewegung ins Deutsche.

MICHAELA KRAUSE