Kartoffelacker revisited

Agnès Varda stattet den im Jahr 2000 von ihr Porträtierten einen zweiten Besuch ab: Ihren Fortsetzungs-Essayfilm „Die Sammler und die Sammlerin – zwei Jahre danach“ zeigt jetzt das Metropolis

Auf den ersten Blick könnte man meinen, Agnès Varda wollte es diesmal Hollywood gleichtun, indem sie von einem erfolgreichen Film einfach eine Fortsetzung dreht. Aber das stimmt natürlich nur auf den allerersten Blick. Zum einen ist es bei Dokumentarfilmen – etwa Langzeitstudien – durchaus üblich, dass die Macher nach einer bestimmten Zeit nachschauen, was inzwischen aus den gefilmten Menschen geworden ist. Zum anderen hat Varda in ihrer langen Filmarbeit immer wieder „Zwillingsfilme“ gemacht, ein Thema zweimal aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet.

So drehte sie in den 90ern zwei Filme über ihren Mann, den 1990 gestorbenen Regisseur –Jacques Demy und ergänzte davor ihren Spielfilm Die Zeit mit Julien um die Doku Jane B ... wir Birkin. Aber die Grenzen zwischen Dokumentar- und Spielfilm sind bei ihr meistens fließend, und so lässt sich Die Sammler und die Sammlerin – zwei Jahre danach“ am ehesten als Essayfilm bezeichnen.

Ausgangspunkt für den neuen Film seien die vielen Reaktionen, unzählige Postkarten und Päckchen gewesen, sagt Varda, die sie auf den ersten Film hin bekommen hat, und die sie gern vorzeigt. So macht sie sich dann mit ihrer Mini-DV-Kamera erneut auf, um zunächst einige der Absender aufzusuchen. Einen Mann etwa, der – offensichtlich von Vardas Faible für herzförmige Kartoffeln angeregt – eine herzförmige Möhre auf dem Acker gefunden und sich damit sogleich selbst für eine Fortsetzung angeboten hat.

Vor allem aber stattet Varda vielen der prägnanten Gestalten des ersten Films erneut einen Besuch ab. So den engagierten, Obdachlosenzeitung verkaufenden Mann, der sich auf dem Wochenmarkt mit Resten versorgt. Diesmal sieht man ihn sogar an einem Marathonlauf teilnehmen. Wobei Vardas Kamera schön einfängt, wie eifrige Sammler die vielen kurz vorm Start des Rennens fortgeworfenen Pullover und Jacken aufsammeln ...

Natürlich kommt Varda auch auf den Ausgangspunkt des ersten Films, Francois Millets Gemälde „Die Kartoffelklauberinnen“ zurück. Erfreut vermerkt sie, dass das Bild seit ihrem Film eine sehr viel größere Aufmerksamkeit genießt als zuvor und ihr eigener Film somit auch Teil der Geschichtes dieses Bildes geworden sei. Überhaupt interessiert Varda nicht nur, was sich für die Menschen in den zwei Jahren, sondern auch durch den Film verändert hat.

Ähnlich wie es Angela Christlieb von ihren in Cinemania porträtierten New Yorker Cinephilen berichtet hat, genießen einige von Vardas Sammlern nun eine gewisse Bekanntheit und werden schon mal bei ihrer „Arbeit“ angesprochen. Einer durfte sogar mit Varda zusammen im französichen Fernsehen ausgiebig die moderne Wegwerfgesellschaft anprangern. Dass ein anderer sich selbst im ersten Film zwar gut porträtiert fand, Vardas darin gezeichnetes Selbstporträt dagegen missraten, kann die mit unzähligen Preisen bedachte Regisseurin gelassen hinnehmen. Die Analogie zwischen dem Resteaufsammeln und dem Bildersammeln, die sich als roter Faden durch beide Filme zieht, ist gleichwohl eine äußerst interessante. ECKHARD HASCHEN

Donnerstag, 21.15 Uhr, Metropolis (Einführung: Thomas Tode)