Lachen von unten nach oben

Lisa Politt und Gunther Schmidt übernehmen zum 1. September das Neue Cinema vom Schauspielhaus

Wo derzeit Veranstalter von Krise reden, machen Lisa Politt und Gunther Schmidt einen Neubeginn. Ohne jede staatliche Unterstützung eröffnen die beiden als Herrchens Frauchen bekannten Kabarettisten am 1. September im ehemaligen Neuen Cinema am Steindamm das „Polittbüro“. Bis 2005 läuft der Vertrag, den das Kabrett-Duo jetzt als Untermieter des Schauspielhauses unterzeichnet hat, das das Neue Cinema aus Kostengründen nicht mehr halten konnte. Im April hatten Intendant Tom Stromberg und sein kaufmännischer Geschäftsführer Jack Kurfess den Spielbetrieb dort kurzfristig sang- und klanglos eingestellt.

Mit der Eröffnung einer eigenen Spielstätte erfüllen sich Politt und Schmidt einen lange gehegten Traum von der eigenen Kabarett-Bude. Linke Spiel- und Sprechkunst hat damit in dieser Stadt einen neuen Ort, in dem Comedy keine Chance haben wird. Denn „Tritte von oben nach unten lehnen wir ab“, macht Lisa Politt klar. Im Polittbüro wird es Kabarett geben, in dem „von unten nach oben gelacht werden soll“. Damit widerspricht sie ganz nebenbei Tucholsky, der ja einst meinte, dass Kabarett alles darf. Politt: „Satire ist ein Mittel der Schwachen gegen die Unterdrücker“.

Dieser Leitlinie verpflichtet sich das Duo auch in Zukunft. Das unterstreicht das Programm, mit dem die beiden ab September loslegen werden: Max Goldt, Andrea Bongers, Nessi Tausendschön, Thomas Ebermann, Rainer Trampert, Aprilfrisch Mägädäm & Schwarz und selbst die Konkurrenz aus dem Lustspielhaus Alma Hoppe werden bei der Eröffnungsgala dabei sein. Danach gibt es in einer Neuauflage das Vorläufige Endergebnis zu sehen, eine Produktion, an der neben Herrchens Frauchen auch Ralf Schwarz und Jo Jacobs beteiligt sind.

Einmal im Monat wird außerdem künftig die „Vers- und Kaderschmiede“ stattfinden. Konzeptionell ist dafür konkret-Autor und Satiriker Thomas Ebermann verantwortlich, der die jeweiligen Abende auch als Gastgeber moderieren wird. Damit dürfte für eine kabarettistische Ideologiekritik gesorgt sein.

Exklusiv für das Polittbüro inszenieren Rolf Becker (Jedermann) und Michael Weber (Schauspielhaus) aus Anlass des 30. Jahrestages des von den USA angeleiteten Militärputsches in Chile eine szenische Lesung. Grundlage dafür ist der Roman von Ariel Dorfmann, einem langjährigen Wegbegleiter des gestürzten und ermordeten Präsidenten Allende. Der Tod und das Mädchen heißt das Stück, das im Februar dieses Jahres bereits in den Kammerspielen zu sehen war und das am 22. September ins Neue Cinema kommt. Weitere Highlights werden im Dezember zwei gemeinsame Lesungen von Doris Gercke und Hannelore Hoger (Bella Block) sein. Neben Texten von Gercke wird es dann auch etwas aus dem Frühwerk von Anna Seghers geben: Jans muß sterben. DIRK SEIFERT

Ab 1. September: Kabarett im Polittbüro, Neues Cinema, Steindamm 45