Die schöne Leiche am Schlossplatz

Operation gelungen, Patient tot. Nach der erfolgreichen Asbestsanierung ist vom Palast der Republik nicht mehr als ein Gerippe übrig – aber ein schönes. Im Rahmen der Schaustelle Berlin kann es nun für drei Wochen von innen betrachtet werden

von JAN ROSENKRANZ

Hast auch schon mal besser ausgesehen, altes Haus. Jugendweihe 89 zum Beispiel. Ostedel und teppichgedämpft. Auch im Foyerrestaurant, Blick auf die Spree, Preisstufe II. Menü II: tomatierte Kraftbrühe vorweg, dann Lendenbraten mit tournierten Kartoffeln. Tourniert, bitte schön! Das Foyer lässt sich finden, das Restaurant ist weg. Es ist überhaupt alles weg: die Wände, der Teppich, die Bilder, die Lampen, die Ledersofasitzgruppen und die aufgeständerten Alukugel-Aschenbecher auch. Der Palast der Republik ist jetzt nicht viel mehr als die Leiche am Schlossplatz – und, zumindest innen, eine schöne.

Vor acht Wochen wurde der letzte Krümel Asbest aus ihr herausgekratzt, wurde auch Zeit nach fünf Jahren Sanierung. Übrig blieb nur ein Gewirr aus rostbraunen Stahlträgern und ausgeweideten Rolltreppenschächten. Der Palast ist durchsichtig geworden, Glasnost hat ihn erreicht. Die Offenlegung kam erst 13 Jahre nach der Wende. Heute stört auf 180 mal 90 Meter Geschossfläche nichts mehr den Blick als ein paar Pfeiler und die Treppenhäuser. Man schaut vom großen Saal, rechts, bis zum Volkskammersaal, links. Hätte man die Fensterscheiben nicht mit Grundierung bestrichen, die den Asbeststaub binden soll, wäre der Blick fast ungetrübt – vom Fernsehturm bis zum Französischen Dom, vom Berliner Dom bis zum Neuen Marstall.

Vom 4. Juli an können nun für drei Wochen lang und 5 Euro Eintritt Besuchergruppen über den holprigem Betonfußboden stolpern und den Korpus Palazzi besichtigen.

Vom Haupteingang führt der abgesperrte Weg links die Treppen hinauf ins Foyer. In der Mitte steht noch ein rostbrauner Stahlstumpf mit acht Bolzenschrauben, die früher die gläserne Blumen hielten. Einst zentraler Treffpunkt im Hause und republikweit bekannt als Pausenbild im DDR-Fernsehen, jetzt zerlegt und verschwunden im Spandauer Magazin des Deutschen Historischen Museums.

Auch der „große Saal“ ist vollständig freigelegt und nun von allen Seiten und Etagen einsehbar. Zur Pressebesichtigung war gestern sogar der Architekt des Veranstaltungssaals, Manfred Prasser, gekommen, auch um daran zu erinnern, „dass dieses Haus die Menschen gebaut haben und nicht Erich Honecker.“ Außerdem könnte er „Schtorries“ erzählen. Zum Beispiel die, wie ein Mitglied der Kommission, die seinen Entwurf genehmigen musste, empfehlend gesagt haben soll: „’s is a Bleedsinn, aber man muss auch amol a Bleedsinn machen.“

Immerhin wurde anders als im Volkskammersaal auf der anderen Seite des Hauses hier kaum Asbest verspritzt. Mit Asbest ging alles schneller. Und es musste schneller gehen, um die Bauzeit von 1.000 Tagen nicht zu überschreiten. Umso länger hat dafür die Sanierung gedauert: fünf Jahre nämlich.

Aber Zeit ist nun nicht mehr das Problem. Klaus Wowereit hat zwar erst kürzlich gedrängt, die „Ruine“ so schnell wie möglich abzureißen. Und die Union wird heute im Bundestag wieder drängeln, das Stadtschloss so schnell wie möglich aufzubauen. Doch noch immer fehlen nicht nur Plan und Konzept, sondern fehlt vor allem das Geld. Und ein Abriss ohne Neubau würde aufgrund der statischen Probleme den ganzen Schlossplatz in Bewegung bringen und darum noch mehr kosten.

Theoretisch wäre also noch Zeit für weitere Führungen. Und so hoffen auch die Veranstalter von der Schaustelle Berlin und der Initiative Zwischen Palast Nutzung (ZPN), dass der Palast auch nach der Schaustelle für Besichtigungen und kulturelle Veranstaltungen offen bleiben kann. „Es geht allein darum, grünes Licht vom Bundesvermögensamt zu bekommen“, sagt die ZPN-Vorsitzende Amelie Deuflhard. Das Amt verwaltet die Bundesimmobilie und will kein weiteres Geld in den Palast investieren, weder für Sicherheit, noch für Infrastruktur. Man habe aber inzwischen selbst genügend Sponsoren gefunden, so Deuflhard. Auch dem Abriss in wenigen Jahren wolle man keinesfalls im Wege stehen. Bis dahin aber solle der Palast als Ort der kritischen Auseinandersetzung genutzt werden.

Oder der Erinnerungen: Im 1989 zwar verseuchten, aber noch intakten Foyerrestaurant endete das Jugendweihe-Menü II spektakulär – mit „Haselnusseis auf delikaten Früchten und Sahne“. Gefeiert wurde abends im „Saalbau am Friedrichshain“. Aber der ist inzwischen nicht nur tot, sondern sogar abgerissen.

Führungen finden vom 4. bis 26. Juli statt – täglich Do.–So. Tickets kosten 5 € pro Person und sind bundesweit über die CTS-Theaterkassen oder online über www.schaustelle.de zu bekommen. Wegen des großen Interesses gibt es nach Angaben des Veranstalters nur noch einige Restkarten