Man spricht deutsch

Das Deutsche Historische Museum eröffnet das Jubeljahr 2009 mit einer Ausstellung über „Die Sprache Deutsch“

Zu wenig Geltung, zu viele Anglizismen: Wann immer es in öffentlichen Debatten um die deutsche Sprache geht, kennt die Diskussion nur diese beiden Zielrichtungen. Der Ausstellung „Die Sprache Deutsch“ im Deutschen Historischen Museum (DHM) in Berlin ist dieser Vorwurf nicht zu machen, auch wenn die Offiziellen sich alle Mühe geben, deutlich herauszustellen, wie sehr sich die Schau im Rahmen nationaler Identitätspolitik bewegt.

20 Jahre Mauerfall, 60 Jahre Bundesrepublik, 2.000 Jahre Varusschlacht: 2009 häufen sich die „deutschen“ Jubiläen. Für DHM-Chef Hans Ottomeyer ist die deutsche Sprache „prägendes Element der deutschen Identität“. Das Deutsche sei mit europaweit 100 Millionen Sprechern zwar ein „Bedeutungsriese“, aber auch ein „Geltungszwerg“. Denn Deutschland vertrete seine Sprache „nicht richtig“. „Wir meinen, dass wir sie untergehen lassen müssen im internationalen Konzert, because we are English speaking, too.“

Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts, sekundiert, wenn auch deutlich verhaltener, die Ausstellung komme „zur richtigen Zeit“: Mussten in den 90er-Jahren Goethe-Filialen schließen, befindet sich der Etat heute im Aufwind – wie Deutsch als Fremdsprache auch. Dank Tokio Hotel seien Kurse in Frankreich und Israel ausgebucht. Teile der Berliner Ausstellung sollen bald zusammen mit Exponaten einer derzeit in Bonn stattfindenden Schau zur Gegenwartssprache („Man spricht deutsch“) international auf Tournee geschickt werden.

In Berlin ist nun ein vor allem historischer, durchaus sehenswerter Abriss von der Karolinger- bis zur Jetztzeit zu besichtigen. Präsentiert wird – wohl wegen der Empfindlichkeit vieler Objekte – in gedimmtem Licht, was Germanistikstudierende an der Uni allenfalls als Faksimile zu sehen bekommen: darunter der Abrogans, das älteste deutschsprachige, wenn auch größtenteils noch auf Latein abgefasste Buch, und Handschriften mittelalterlicher Minnedichtung. Daneben aber auch bizarre Objekte wie Wilhelm Grimms Schreibtisch inklusive Streusandbüchse oder eine „SMS-Chatwall“.

Die Kuratoren machen deutlich, dass die Debatte um vermeintlich zu viele Fremdwörter nichts Neues ist. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, so ist anhand von Drucken nachzuvollziehen, kamen im Gefolge von Armeen romanische Einflüsse nach Deutschland, und sofort traten die Sprachreinhalter auf den Plan. „Wie deß Malers Farb-Gemeng, so ist unser Sprach-Gepräng“, reimte etwa Grimmelshausen 1673. Genauso aber wies der „Simplicissimus“-Verfasser damalige Puristen zurück, die deutsche Entsprechungen für Lehnwörter wie Fenster („Tagleuchter“) oder Nase („Gesichtserker“) zu etablieren versuchten.

Die große Lücke der Schau aber ist der Nationalsozialismus. Während Folgen der Teilung und die Ideologisierung von Sprache in der DDR raumgreifend abgehandelt werden, sind die Jahre 1933 bis 1945 fast komplett ausgespart. Lediglich eine Ausgabe des Völkischen Beobachters und im Audioguide Goebbels berüchtigte Sportpalast-Rede sind in der „Dicht- und Sprachkunst“-Abteilung unter der Überschrift „Rhetorik“ platziert. Von der Technisierung der Sprache, wie sie Victor Klemperer in der „Lingua Tertii Imperii“ analysierte, oder germanisierenden Vornamenmoden findet sich auf den Texttafeln kein Wort.

Ein schwerer Fehler, zumal ansonsten reflektierte Auffassungen vorherrschen. In einer Slideshow zur Sprachgeschichte wird mit Blick auf die Zukunft hervorgehoben, die Historie zeige, wie flexibel das Deutsche sei. Und im Gegenwartsabschnitt gibt es neben der obligaten Kritik an der „Geiz ist geil“-Sprache der Werbung als Beispiel für die Vitalität des Deutschen ein Video mit Tiger, der „Kralle von Kreuzberg“, zu sehen. ROBERT SCHRÖPFER

DHM, bis 3. Mai, täglich 10–18 Uhr