Großer Schmetterling

Öfter mal im Park was schreiben: Tobacco haben einen Ort gefunden, der sich anhört wie das Leben

Auf dem Cover ihres ersten Albums züngelten Flammen über einem Totenkopf, doch darunter stand es rot auf weiß: „Don‘t deny your weakness“. Was so viel hieß wie: Wenn es dir schlecht geht, dann sing ein Lied darüber. Die beiden Wiesbadener Zachary Johnson und Daniel Riedel sind Spezialisten auf diesem Gebiet, wie sie mit ihren (leider verblichenen) Bands Readymade und Rekord auf einigen wunderbaren Alben gezeigt haben.

Doch geht es bei Tobacco um mehr als permanente Selbstbefragung. Schon mit seinem ersten gemeinsamen Album hat das Duo einen Berg bestiegen, von dem aus man in Ruhe die Welt betrachten kann. Dafür braucht es kein Schlagzeug, manchmal reichen zwei Gitarren und zwei Stimmen. „We know this is a simple song, written in the park“, sangen die beiden. Und manchmal sind die einfachsten Stücke ja die Schönsten.

Jetzt ist wieder ein Tobacco-Album erschienen, wieder auf dem Wiesbadener Rewika-Label – und selten hat eine Zigarette so gut geschmeckt wie diese Musik. Denn Saves Lives schmeckt so, als könnte es wirklich Leben retten. Schon das erste Stück „Perpetual Motion“ gibt die Richtung vor: „There must be more in life than this“, die alte Hoffnung der Popmusik. Was das sein könnte und wo es zu haben ist, versucht das Album zu erklären – doch auf ganz andere Weise als der Vorgänger.

Aus schüchternem Indie-Folk ist ganz eigensinnige Musik geworden, die jetzt gar keine Genregrenzen mehr zu kennen scheint. Die zeigt, wie locker man eben mal durch Szenen springen kann, wenn man nur den Mut dazu hat. Der Titelsong – gemeinsam mit dem Berliner Dereck Rhodes alias Ladyboy eingespielt – ist ein funkiger HipHop-Tanzbodenbrecher, „It‘s not over“, eine epische Sci-Fi-Rockhymmne, die Ziggy Stardust sicher gerne geschrieben hätte.

Und natürlich: wunderbare Zwei-Stimmen-und-zwei-Gitarren-Balladen, gefolgt von dem honigsüßen Popstück „Belong“. „Who ist the one you belong to“, schmachten Johnson/Riedl jetzt ins Mikrofon, fast so, ach was, besser als ABC und Duran Duran zusammen. Wenn Musik wie Leben ist, mit Brüchen, Veränderungen und Sprüngen, dann ist Tobacco ein ganz seltenes Kunststück gelungen: Sie haben das Leben selbst eingefangen. Ein Platz, um sich auszutoben. Funkelnd, bunt, schillernd. Wie ein großer Schmetterling. Nun ist das Dream-Team aus der Kurstadt in erweiterter Besetzung im Hafenklang zu Gast. Marc Peschke

Heute, 21 Uhr, Hafenklang