Hamburg ist völlig abgebrannt

Mai-Steuerschätzung ergibt „bedauerliches“ Bild: Der Stadt fehlen jährlich 150 Millionen Euro Steuern, die nun irgendwo eingespart werden müssen. Dazu kommen „überraschend“ zusätzliche Millionenzahlungen in den Länderfinanzausgleich

von PETER AHRENS

Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) sprach gestern von einem „bedauerlichen Fazit“, und das ist noch untertrieben: Die Haushaltslöcher sind nämlich noch viel größer als befürchtet. Bis 2007 fehlen der Stadt pro Jahr 150 Millionen Euro an Steuereinnahmen, mit denen der Senat vor einem Jahr noch rechnete. Als sei das nicht genug, muss Hamburg jährlich zusätzliche 130 Millionen Euro in den bundesweiten Länderfinanzausgleich zahlen. Das ist das Ergebnis der regelmäßigen Mai-Steuerschätzung, die der Finanzsenator gestern vorstellte. Und das heißt: Der Sparkurs wird jetzt erst richtig verschärft.

Fast sechs Stunden saßen die SenatorInnen gestern Vormittag zusammen, um Sparmöglichkeiten im Haushalt zu erörtern. Anschließend herrschte das große Schweigen: Konkretes will der Senat erst nach seiner Sparklausur vom 21. und 22. Juni bekannt geben. Frage an Peiner auf der Pressekonferenz: „Haben Sie denn Ideen, wo Sie das Geld hernehmen wollen?“ Antwort Peiners: „Ja.“ Frage: „Sagen Sie die uns auch?“ Peiner: „Nein.“ Die SenatorInnen wurden dazu verpflichtet, bis zur Klausurtagung keinen Ton über Einsparungen öffentlich zu verlautbaren.

Klar ist bislang, dass Peiner „nur“ die Steuerausfälle über Einsparungen kompensieren will. Bei den Mehrzahlungen in den Länderfinanzausgleich setzt er darauf, dass Hamburg in den folgenden Jahren an Bevölkerung zulege. 40.000 zusätzliche EinwohnerInnen müsse die Stadt bis 2007 bekommen: Denn nach dem komplizierten Rechenmodus des Finanzausgleiches sinken die Zahlungen der Bundesländer, je mehr Menschen in ihnen leben. Peiners Rezept ist denn auch simpel: „Das Konzept der Wachsenden Stadt muss konsequent fortgesetzt werden.“

Dass Hamburg überhaupt in diese Malaise beim Finanzausgleich gekommen ist, liegt, so der Senator, an den zunehmenden finanziellen Schwierigkeiten anderer Bundesländer, vor allem Nordrhein-Westfalens. Das bevölkerungsreichste deutsche Land gehörte wie Hamburg bisher zu denen, die aufgrund ihrer Finanzkraft in den Ausgleichstopf einzahlen konnten und mussten, um finanzschwache Länder wie Berlin oder die Ost-Bundesländer zu unterstützen. Nun sei die Wirtschaftskraft Düsseldorfs jedoch dermaßen abgesunken, dass Hamburg nach den Gesetzmäßigkeiten des Finanzausgleichs in die Bresche springen müsse: „Das Problem hat uns in seiner Größenordnung selbst überrascht“, sagt Peiner angesichts der dreistelligen Millionensummen, die Hamburg künftig aufbringen muss.

Während der Finanzsenator der Ansicht ist, dass man „die Fehlentwicklungen anderer Bundesländer nicht den Hamburger BürgerInnen auferlegen sollte“, sieht das beim Ausgleich für die fehlenden Steuereinnahmen anders aus. Hier müssen alle Ressorts bluten, um die jährlichen Einsparungen zu erreichen. Über betriebsbedingte Kündigungen im Öffentlichen Dienst sei jedoch nicht gesprochen worden, ließ sich Peiner immerhin entlocken. In der Vergangenheit hatte der starke Mann im Senat mit Kündigungen gedroht, falls die Gewerkschaften keine Zugeständnisse beim Weihnachts- und Urlaubsgeld der städtischen Angestellten machten. Gestern sprach er davon, er sehe „wachsende Zeichen der Einsicht bei den Gewerkschaften“.

Eines der Opfer in der finanziell völlig abgebrannten Stadt soll dagegen, so hieß es gestern, der Sport sein. Nach der gescheiterten Olympia-Bewerbung erwägt der Senat offenbar, die Förderung des Spitzensportes komplett zu streichen. Peiner enthielt sich gestern auch dazu jeglichen Kommentars. Mit gutem Grund: Für heute hat – nach dem olympischen Aus auch für Leipzig – ausgerechnet die CDU in der Bürgerschaft das Debattenthema angemeldet: „Olympia 2016. Neue Chance für Hamburg.“