Billige Arbeitskräfte als Exportschlager

Die Philippinen wollen auch vom Aufbau im Irak profitieren: 100.000 Gastarbeiter sollen Devisen bringen

MANILA taz ■ Die Planungen für den Wiederaufbau des Irak hatten kaum begonnen, da beeilte sich ein Land, das zu den engsten Verbündeten der USA zählt, ein Stück vom Kuchen abzubekommen: die Philippinen. Arbeitsministerin Patricia Santo Tomas hofft, in den nächsten Jahren 100.000 Arbeitskräfte in den Irak zu schicken – in erster Linie Ingenieure, Bauarbeiter und medizinisches Personal.

Der Arbeitskraft-Export ist seit Jahrzehnten einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren für das südostasiatische Land mit 12 Prozent Arbeitslosen und einem Durchschnittseinkommen von ganzen 1.000 US-Dollar im Jahr. Mehr als eine halbe Million Filipinos verlassen jedes Jahr ihr Land – inzwischen über 7 Millionen. Von ihrer Regierung werden sie gefeiert, denn ihre Geldüberweisungen – im letzten Jahr mehr als 7 Milliarden US-Dollar – gehören zu den wichtigsten Devisenquellen.

Wie zu Zeiten des Diktators Ferdinand Marcos und anders als in anderen Ländern mit hoher Arbeitsmigration wird der Exodus auf den Philippinen noch heute von der Regierung aktiv gesteuert. Mehrere Behörden managen ihn – und verdienen an ihm.

Der Export von Arbeitskräften, sagt Arbeitsministerin Santo Tomas, sei der philippinische Beitrag zur Globalisierung. „Wir sind eben reich an menschlichen Ressourcen.“ Viele Nichtregierungsorganisationen kritisieren dagegen Santo Tomas’ Arbeitspolitik. „Unsere Regierung verlässt sich völlig auf die Zahlungen von Arbeitsmigranten und exportiert unsere wichtigste Ressource – Menschen –, anstatt hier Arbeitsplätze zu schaffen“, sagt Maya Cortina von der Migrantenorganisation Kanlungan.

Zwei Drittel der Migranten sind mittlerweile Frauen. Sie finden meist als Hausangestellte, Krankenschwestern oder in der Unterhaltungsindustrie Anstellung – vor allem in asiatischen Nachbarländern oder im Mittleren Osten. Die sozialen Kosten der jahrelangen Abwesenheit von einem oder sogar beiden Elternteilen sind hoch. Viele Familien brechen auseinander. Probleme wie Drogensucht und Schwangerschaft von Minderjährigen sind bei Kindern von Arbeitsmigranten überproportional hoch.

Viele Migrantinnen haben traurige Schicksale zu erzählen. Die allein erziehende Ella Lopez etwa, die zehn Jahre lang als Haushaltshilfe in Hongkong arbeitete, war nicht da, als ihre älteste Tochter an Krebs starb. Als sie schließlich nach Hause kam, war sie auch eine Fremde für ihre beiden anderen Kinder. „Als ich abreiste, waren sie noch klein. Als ich wiederkam, führten sie ihr eigenes Leben.“

Eine weitere Schattenseite der Arbeitsmigration: Vor allem im Mittleren Osten und in asiatischen Ländern wie Hongkong oder Singapur leben philippinische ArbeitsmigrantInnen zum Teil unter menschenunwürdigen Bedingungen, werden ausgebeutet, diskriminiert und misshandelt. Insbesondere Frauen sind ihren Arbeitgebern oft schutzlos ausgeliefert, sexuelle Belästigungen keine Seltenheit.

Als Reaktion auf die unzähligen Beschwerden von MigrantInnen erließ die Regierung 1995 ein Gesetz zum Schutz von im Ausland lebenden Filipinos, das etwa illegale Rekrutierungen verhindern soll und MigrantInnen Rechtsbeihilfe verspricht. Dennoch sehen sich viele von ihnen nach wie vor im Stich gelassen. Seit zehn Jahren kämpft etwa Josie Dematera für die Freilassung ihrer Tochter Sarah Jane, die in Saudi-Arabien vermutlich unschuldig in einer Todeszelle sitzt, weil die Haushaltshilfe ihre Arbeitgeberin erschlagen haben soll. „Amnesty international hat eine Kampagne für sie gestartet“, erzählt sie: „Unsere Präsidentin hat nicht mal geantwortet.“

Dem Massenexodus der Filipinos tun solche Erfahrungen keinen Abbruch. Solange Alternativen im eigenen Land fehlen, ist ein Ende der Arbeitsmigration nicht in Sicht. CLAUDIA BLUME